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Therapeutika gegen COVID-19

Medikamentenforschung

Für den effizienten Kampf gegen einen Krankheitserreger sind zwei Werkzeuge von entscheidender Wichtigkeit: ein Impfstoff, um zu verhindern, dass sich Personen oder Tiere überhaupt anstecken und Medikamente um Erkrankte adäquat therapieren zu können. Beides fehlt den Menschen bis jetzt im Kampf gegen COVID-19. Aber die Anstrengungen in der Forschung sind groß, dies schnellstmöglich zu ändern.

Die Impfstoffentwicklung beansprucht meist mehrere Jahre und hat eine relativ hohe Misserfolgsrate [1]. Dies läge zum Teil daran, dass bei der Entwicklung von Impfstoffen, die am Ende gesunden Menschen verabreicht werden, das Nutzen-Risiko-Verhältnis noch einmal besonders kritisch betrachtet werden müsse, wie Dr. Michael Mühlebach, Forscher am Paul-Ehrlich-Institut, in einem Interview mit der Zoonosenplattform erklärt (zum Interview). Angesichts der Pandemie wurde die Impfstoffentwicklung stark beschleunigt, was dazu geführt hat, dass sich bereits mehrere Impfstoffkandidaten in der klinischen Erprobung befinden (eine Übersicht zum aktuellen Stand der Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 finden Sie hier).

Dennoch wird es noch einige Zeit dauern, bis ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Zudem besteht immer das Risiko, dass die Impfstoffsuche gegen einen Erreger erfolglos verläuft, wie HIV als Beispiel belegt. Auch die Arzneimittelzulassung ist ein komplexer Prozess der sich von der Identifizierung eines geeigneten Impfstoffkandidatens über zahlreiche Laboruntersuchungen bis hin in die unterschiedlichen Phasen der klinischen Erprobung am Patienten zieht (siehe Abb. 1). Auch dieser Prozess kann an vielen Stellen scheitern. Dennoch hoffen viele, dass es schneller gelingen wird, geeignete Medikamente für die Behandlung von COVID-19-Patienten zu finden als einen Impfstoff.

Prozess MedikamentenentwicklungAbbildung 1: einzelne Stufen der Arzneimittelentwicklung

Bei der Suche nach Medikamenten gegen COVID-19 werden zwei verschiedene Ansätze verfolgt. Zum einen die gezielte Neuentwicklung von Wirkstoffen speziell gegen diese Erkrankung. Zum anderen forscht man daran, in wie weit sich Arzneimitteln, die bereits gegen eine andere Krankheit zugelassen sind oder zumindest bereits einen Teil der Entwicklungsphase durchlaufen haben, für die Therapie von COVID-19 eignen. Dieses sogenannte "Repurposing" von Medikamenten hat den Vorteil, dass es schneller durchgeführt werden kann als eine komplette Neuentwicklung, bei der man von Null startet muss, da zum Beispiel Ergebnisse aus präklinischen Untersuchungen und Phase I – Studien schon vorliegen. Viele Projekte beschäftigen sich daher mit einer möglichen Umwidmung bereits bekannter Wirkstoffe.

Der eskalierende Krankheitsverlauf bei COVID-19 scheint sich in verschiedene Phasen zu unterteilen, die sich in unterschiedlichen Symptomen manifestieren und denen unterschiedliche Prozesse zugrunde liege. Hierbei nimmt man an, dass der erste Abschnitt der Erkrankung primär durch das Virus selber geprägt ist während im weiteren Verlauf der Erkrankung die Immunantwort des Patienten an Bedeutung gewinnt (Abb. 2). (zusammengefasst in [2])

Krankheitsverlauf COVID-19

Abbildung 2: Krankheitsverlauf bei COVID-19  nach Siddiqi and Mehra (2000)

Je nach Erkrankungsphase werden daher unterschiedliche Wirkungen von einem Medikament benötigt. Die Medikamente, die nun für eine Umwidmung in Erwähnung gezogen werden, gehören meist einer der vier Gruppen an:

  • Antivirale Medikamente: diese Medikamente richten sich gegen das Virus selber und verhindern z.B., dass dieses sich vermehren kann oder dass es in die Zellen des Körpers eindringen kann. Als Angriffspunkt für diese Medikamente können sowohl Strukturen des Virus als auch körpereigene Strukturen dienen, die das Virus für seine Vermehrung braucht.
  • Dämpfende Immunmodulatoren: diese zielen darauf ab, dass die Abwehrreaktion der infizierten Person nicht zu stark wird bzw. sich nicht gegen das Falsche richtet, damit der Körper nicht noch zusätzlich durch das eigene Immunsystem geschädigt wird. Nach jetzigen Kenntnisstand spielt dies insbesondere im späteren Krankheitsverlauf eine Rolle.
  • Medikamente für Lungenkranke: diese Medikamente sollen die Sauerstoffversorgung der Patienten durch die Lunge gewährleisten, auch wenn es durch das Virus bereits zu einer Schädigung des Lungengewebes gekommen ist.
  • Herz-Kreislauf-Medikamente: diese sollen mögliche Komplikationen bei den Betroffenen, wie zum Beispiel Blutgerinnsel oder Herz-Rhythmus-Störungen, verhindern. Hierzu kann es kommen, wenn der Körper durch die Virusabwehr bzw. durch eine überschießende Immunantwort an seine Belastungsgrenze gelangt.

Unter den folgenden Links finden Sie eine Übersicht zu laufenden Medikamenten-Studien gegen Covid-19:

Vielversprechend scheinen erste Studienergebnisse zum Einsatz von Dexamethason bei schweren Verläufen von COVID-19 zu sein. Im Rahmen der klinischen Studie RECOVERY, die verschiedene Therapieansätze bei hospitalisierten COVID-19 Patienten in Großbritannien untersucht hat, konnte Dexamenthason die Sterblichkeit bei beatmetet Patienten um ein Drittel senken, wie in einer ersten Pressemitteilung bekanntgegeben wurde. Die Veröffentlichung der Studie selber steht noch aus. Dexamethason ist ein langsam wirkendes künstliches Glucucorticoid, das bereits bei verschiedenen Erkrankungen Anwendung findet. Über die Bindung an den Glucocorticoid-Rezeptor von Zellen kann es Einfluss auf bestimmte Gene nehmen, was allergische und entzündliche Prozesse abmildern kann [3]. Dies könnte erklären, warum es gerade in den späten schweren Verläufen eine Wirkung zu zeigen scheint. Der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hat die bekanntgegebenen Studienergebnisse als „lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch“ bezeichnet.

Ein Wirkstoff, der sich in ersten Studien bewähren konnte und nun bald an Patienten erprobt werden soll, kommt von einem Forschungsunternehmen in Tübingen, der Atriva Therapeutics GmbH. Näheres hierzu können Sie in einem Interview mit dem Vorsitzenden des Beirats der Firma und Leiter des Münsteraner Standortes der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen, Prof. Dr. Stephan Ludwig, lesen. Zum Interview

 

Text: Dr. Dana Thal i. A. für die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen

Literatur:

  1. Vasilakis, N., et al., Risk in Vaccine Research and Development Quantified. PLoS ONE, 2013. 8(3).
  2. Siddiqi, H.K. and M.R. Mehra, COVID-19 illness in native and immunosuppressed states: A clinical-therapeutic staging  proposal. J Heart Lung Transplant, 2020. 39(5): p. 405-407.
  3. Newton, R., Molecular mechanisms of glucocorticoid action: what is important? Thorax, 2000. 55(7): p. 603-13.

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