Einige Zoonosen werden über Zecken übertragen. Die Verbreitung dieser Zoonosen, welche durch die Zecken, die Erreger aber auch durch die Umwelt beeinflusst wird, ist ein Thema für die Wissenschaft aber auch für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Im dritten Teil der Workshopreihe „Klimawandel und Zoonosen“ standen daher Zecken-übertragene Zoonosen im Fokus.
Mit einem Zeckenbiss wird dem Menschen eine vernachlässigbare Menge an Blut genommen, in einigen Fällen jedoch im Austausch gegen eine zoonotische Infektionskrankheit wie beispielsweise Lyme-Borreliose, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Tularämie oder aber auch Krim-Kongo-Hämorrhagischen-Fieber. Die Herausforderungen für die Wissenschaft und den ÖGD durch Zecken-übertragene Zoonosen in Deutschland waren Thema des Workshops am 04. Mai 2021 der Zoonosenplattform im Zusammenarbeit mit der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf und wurden in den Fachvorträgen von Prof. Dr. Gerhard Dobler (Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr) und Dr. Masyar Monazahian (Niedersächsisches Landesgesundheitsamt) thematisiert.
FSME Fälle in Deutschland nehmen zu
Die FSME wird durch ein Virus aus der Familie der Flaviviridae verursacht und ist damit eng verwandt mit dem Mosquito-übertragenen West-Nil Virus. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Japan über Sibirien bis nach Europa. „Wir sehen jedoch eine deutliche Ausweitung des Verbreitungsgebietes in den letzten 15 Jahren“, sagte Prof. Dobler in seinem Vortrag. Auch in Deutschland ist ein Anstieg der FSME-Erkrankungen zu beobachten mit einem neuen Rekordhoch von 704 Fällen im Jahr 2020 (Epi. Bulletin 9/ 2021, RKI). Auch wenn die vom Robert Koch-Institut (RKI) ausgewiesenen FSME-Risikogebiete (Abb. 1) sich vorwiegend auf den Süden des Landes beschränken, sei das FSME Virus mittlerweile in ganz Deutschland verbreitet, wie Prof. Dobler erörterte. Einen klaren Hinweis darauf liefert eine FSME-Antikörper-Prävalenzstudie bei Füchsen, welche Antikörper auch in nicht Risikogebieten nachweisen konnte (Haut et. al., 2020). Eine Impfung gegen das Virus könne also auch in Norddeutschland für bestimmte Personen durchaus angezeigt sein.
Abb. 1: FSME-Risikogebiete in Deutschland (Quelle: Robert-Koch-Institut)
Risikogebiete und der Klimawandel
Eine schwarz-weiß-Einteilung in Risikogebiete und FSME-freie Regionen in Deutschland sei kaum zu machen, vielmehr handle es sich um viele lokal stark begrenzte Naturherde, in denen das Virus vorkommt dann aber auch wieder verschwinden kann, so Prof. Dobler. Welche Parameter diese Dynamik beeinflussen ist noch nicht vollständig klar. Sicherlich spielen aber die Größe der Zeckenpopulationen sowie deren Verhalten eine wichtige Rolle. Das Zeckenverhalten wiederrum wird unter anderem durch die Temperatur und dadurch auch indirekt durch den Klimawandel beeinflusst. Bei höheren Temperaturen sei ein vermehrter Aufenthalt der Zecken im Wald statt im Ökotom zu beobachten. Zudem sei eine Ausbreitung in höhere Lagen in Deutschland zu verzeichnen.
Eine Herausforderung für die Wissenschaft ist es, valide Vorhersagen für FSME-Risikogebiete zu treffen, um so bessere Impfempfehlungen geben zu können, denn über Zugvögel und einige terrestrische Tiere sind auch Verbreitungen über 100 Kilometer und mehr möglich. Die Antikörper-Seroprävalenz bei Füchsen scheint sich nur bedingt mit dem Auftreten humaner FSME-Fälle zu decken. Hier könnten andere Tiere wie Pferde, Mäuse, Wildschweine, Hunde, Schafe oder Ziegen eventuell geeigneter als Sentinels sein. Ein interessanter Risikoindikator könnte auch die Anzahl an unterschiedlichen Genotypen des Virus in einer Region sein. Hier seien jedoch noch weitere Untersuchungen nötig, wie Prof. Dobler erklärte.
Herausforderung der FSME-Diagnostik
In ihren Untersuchungen ist die Wissenschaft stets auf die Daten aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) angewiesen, welcher durch die Meldung und Nachverfolgung humaner FSME-Fälle wertvolle Hinweise auf Endemiegebiete liefern kann. Denn während die Lyme-Borreliose als Zecken-übertragene Zoonose nur in einigen Bundesländern meldepflichtig ist, gilt für den direkten oder indirekten Nachweis des FSME-Virus in Zusammenhang mit einer akuten Infektion eine bundesweite Meldepflicht laut Infektionsschutzgesetzt (IfSG, § 7 Abs. 1 Nr. 14), wie Dr. Masyar Monazahian in seinem Vortrag erklärte. Allerdings stellt der eindeutige Nachweis einer FSME-Infektion bereits eine Herausforderung dar. Der direkte Nachweis des Virus ist nur in einem relativ kurzen Zeitfenster möglich. Beim indirekten Nachweis über Antikörper muss über eine Impfanamese abgeklärt werden, ob die Antikörper durch eine Impfung entstanden sind. Zudem muss eine Abgrenzung gegenüber verwandter Flaviviridae erfolgen. Das Gesundheitsamt muss also einen Ermittlungsaufwand leisten und ist auf das Mitwirken niedergelassener Ärzte angewiesen.
Präventionsmaßnahmen durch den ÖGD
Die bundesweite Zunahme an FSME-Fällen deckt sich mit der beobachteten Zunahme autochthoner Infektionsfälle in Niedersachsen. Ein Weg die Fallzahlen zu reduzieren ist die Impfquote in Risikogruppen zu verbessern. Hierbei kann es bereits hilfreich sein, Risikogruppen für die Gefahr zu sensibilisieren. Herr Monazahian stellte vor, wie im Zuge eines FSME-Screening bei niedersächsischen Forstbediensteten von 2006 bis 2017 sich die Impfquote unter Forstbediensteten deutlich erhöhte (37% vs. 57%). Neben Impfungen ist demnach auch die Öffentlichkeitsarbeit zum Beginn der Zeckenaktivität im Frühjahr durch die Gesundheitsämter eine wichtige Präventionsmaßnahme.
Wichtige Hinweise auf das Auftreten Zecken-übertragener Zoonosen in bestimmten Regionen kann das Zeckenmonitoring liefern, welches in Niedersachsen seit 2018 in enger Zusammenarbeit zwischen dem Robert Koch-Institut, der Tierärztlichen Hochschule Hannover und dem Landesgesundheitsamt durchgeführt wird. Dank dieser sektorübergreifenden Zusammenarbeit konnte zudem gezeigt werden, dass sich in Norddeutschland mittlerweile auch tropische Zeckenarten, wie Hyalomma maginatum, finden lassen. Der Klimawandel kann dementsprechend zukünftig nicht nur das Verhalten heimischer Zeckenarten beeinflussen (vermehrter Aufenthalt im Wald und höheren Lagen), sondern auch die Etablierung neuer Vektoren in Deutschland begünstigen.
Enge Verzahnung von ÖGD, Tier- und Humanmedizin nötig
Um die zukünftigen Entwicklungen der FSME-Epidemiologie in Deutschland einschätzen zu können, wird die Wissenschaft auch weiterhin im hohen Ausmaß auf die Meldezahlen des ÖGDs angewiesen sein. Anhand dieser menschlichen Erkrankungszahlen können möglicherweise schnell (hyper-) endemische Areale (Naturherde) identifiziert werden, die dann die Grundlage für aktualisierte Impfempfehlung liefern können. Inwieweit die Anzahl auftretender FSME-Genotypen in einer Region hier zusätzliche Informationen liefern können, muss noch geklärt werden.
Sicher ist, dass Zecken-übertragene Zoonosen auch in den kommenden Jahren ein Thema für den ÖGD und die Wissenschaft sein werden. Um die zusätzlich durch den Klimawandel eingebrachte Dynamik bestmöglich bewältigen zu können, wird eine Zusammenarbeit aller Akteure ein elementarer Baustein in der Bekämpfung und Prävention Zecken-übertragener Zoonosen bleiben.
Text: Dr. Dana Thal für die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen
Podcastfolge zum Workshop:
Weiterführende Links:
Zum Nachhören - Podcast zum Workshop
Zoonose des Monats Februar 2020 – FSME
Informationen des Robert Koch-Instituts zu FSME
Karte der FSME-Risikogebiete in Deutschland des Robert Koch-Instituts
Interview mit Prof. Dr. Gerhard Dobler (22. März 2021)