Ausgerichtet von der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen Düsseldorf und der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen fand am 31. Mai 2016 in Berlin der Workshop „Bon Appétit One Health - Lebensmittel-bedingte Erkrankungen durch Zoonosen“ statt. Die Veranstaltung wurde initiiert, um anhand eines konkreten Themas in einen Dialog zwischen Öffentlichem Gesundheitsdienst (ÖGD) und Forschung einzutreten.
Camyplobacter, E. coli und Listeria - jedes Pathogen stellt eigene Anforderungen an Wissenschaft und Gesundheitswesen
Das Programm führte an ausgewählten Zoonosenerregern wie Campylobacter, Escherichia coli und Listeria entlang und stellte aktuelle Herausforderungen in Wissenschaft und Gesundheitswesen heraus. Zum Thema Campylobacter führte Prof. Dr. Thomas Alter (Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin) ein. Er erklärte die mikrobiologischen Besonderheiten dieses Erregers – samt Stressantwort und Stammdiversität - und ging im Detail auf die verschiedenen Übertragungswege zwischen Tier und Mensch ein. Er hob die Besonderheiten bei der Geflügelschlachtung hervor sowie die Relevanz von Fliegen als Vektoren in allen Bereichen der Lebensmittelgewinnung und -verarbeitung. Es wurde die Frage diskutiert, warum sich die Campylobacter-Fallzahlen nicht einfach durch geeignete Maßnahmen in ähnlicher Weise wie die Zahl der Salmonelleninfektionen zurückdrängen lassen. Eine Antwort darauf lautet aktuell: es gibt derzeit – vor allem aufgrund der besonderen Erregereigenschaften – keine geeignete Impfmöglichkeit.
Teilnehmer*innen aus ÖGD und Wissenschaft kamen zum Workshop am 31.5.2016 in Berlin zusammen.
Frau Dr. Elisabeth Hauser (Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin) fasste den aktuellen Wissensstand zu Escherichia coli -Bakterien als lebensmittel-bedingte Zoonosenerreger zusammen. Sie ging dabei auf die unterschiedlichen Toxine von E. coli-Bakterien ein, die die Pathogenese in Menschen und Tieren beeinflussen. Sie legte auch die komplexen Übertragungswege zwischen Tieren, Menschen und Umwelt (Wasser, Abwasser, Landwirtschaft, Pflanzen) dar. Sie erklärte die aktuellen Möglichkeiten der Diagnostik von E. coli und beschrieb epidemiologische Zusammenhänge anhand konkreter Ausbrüche.
Im Anschluss an diesen Vortrag beschrieb Dr. Sven Halbedel vom Robert Koch-Institut das Bakterium Listeria und seine Vielseitigkeit. Hervorzuheben ist dabei, dass Listerien eine sehr hohe Tenazität besitzen und sich auch bei Temperaturen um 4 Grad und (mittel-) saurer Umgebung noch vermehren können. Im Wirt besitzen sie aufgrund ihrer Vorliebe für eine bestimmte Rezeptorkombination einen Tropismus für Leber, Plazenta und Gehirn, was in der Folge für die Schwere der Erkrankungen verantwortlich ist. Da die Behandlung von Listeriosen komplex ist, ging Dr. Halbedel auch auf die Therapiemöglichkeiten ein. Als Lösungsansatz präsentierte er einen Ansatz für ein verbessertes Listeriose-Management, das sich aus zwei Bausteinen zusammensetzt: 1. der molekularen Surveillance zur Ausbruchsaufklärung und 2. der Untersuchung genetischer Faktoren von Listerien für die b-Lactam-Toleranz, um neue Ansatzpunkte für wirksamere Antibiotika zu finden. Für beide Ansatzpunkte präsentierte er aktuelle Forschungsergebnisse aus Projekten, die in Kooperation mit dem BfR in Berlin und der AGES in Wien entstanden sind.
Herausforderungen im öffentlichen Gesundheitswesen sind vielseitig
Nach der Mittagspause stellte Herr Dr. Bornhofen vom Gesundheitsamt Offenbach die aktuellen Herausforderungen im Alltag eines Gesundheitsamtes vor. Er erklärte die Komplexität der Meldevorgänge und des Ausbruchsmanagements, das Gesundheitsämter neben zahlreichen anderen Aufgaben täglich mit immer weniger Personal leisten müssen. Hierbei sei eine besondere Herausforderung, seltene Ereignisse eindeutig zu erkennen und alle möglichen Probleme schnell und zuverlässig zu umschiffen. Hierbei spielten zahlreiche Faktoren, wie der Zeitverzug, bis Patienten zum Arzt gehen, die Dauer von Laboruntersuchungen, Meldeprozesse, fehlenden Rückstellproben etc., eine Rolle, bis ein Ausbruch als solcher erkannt und im Anschluss erfolgreich bekämpft werden kann. Als Fazit sagt er, dass Gesundheitsämter bei der Bekämpfung lebensmittelbedingter Erkrankungen mittelbar mitwirken könnten.
Dr. Bornhofen beschreibt die Herausforderungen für den ÖGD
Frau Dr. Friebertshäuser von den Gesundheitsdiensten Hochtaunuskreis repräsentierte als Leiterin eines Amtes, das das Veterinär- und das Gesundheitsamt in einem Haus zusammenfasst, beide Aspekte des Gesundheitsdienstes. Anhand anschaulicher Beispiele aus dem Veterinär- und Lebensmittelbereich unterstrich sie, wie wichtig die Zusammenarbeit aller drei Bereiche – Veterinär-, Gesundheits-, Lebensmittelbereich – ist und welche Vorteile die Weitergabe von Informationen untereinander und die Kenntnis der Arbeitsabläufe der jeweils anderen Behördenbereiche sind. Gleichzeitig machte sie deutlich, wie wichtig die Kenntnis von rechtlichen Belangen ist und welchen hohen Stellenwert Formalia auch im Lebensmittelbereich haben. Am Beispiel der geänderten Gaststättenverordnung in Hessen erläuterte sie, welche Auswirkungen offizielle Vorgaben oder deren Änderungen auf den Alltag und die Infektionswahrscheinlichkeit der Bevölkerung haben können. Für wichtige und einfache Maßnahmen, wie Händewaschen, können günstige oder auch ungünstige Bedingungen geschaffen werden, so dass diese naheliegenden, persönlichen Hygienemaßnahmen möglich sind – oder eben auch nicht
One Health bedeutet Zusammenarbeit
Den Abschluss der Vorträge bildete mit dem „Brückenschlag One Health“ Prof. Dr. Wieler, Präsident des Robert Koch-Institutes (RKI). Er betonte den großen Mehrwert der Zusammenarbeit mehrerer Bundesministerien unter dem Schlagwort Zoonosen seit 2006 – mit der sichtbaren Erfolgsstory der Zoonosenplattform als ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit. Das RKI unterstütze die Forderung nach mehr Personal für die zahlreichen und wichtigen Aufgaben des ÖGD, erklärte er. Dass „One Health“ – mit Zoonosen im Speziellen – eine interdisziplinäre Aufgabe ist, die in Kooperation gelöst werden müsse, legte er an dem anschaulichen Beispiel der erfolgreichen Salmonellen-Bekämpfung der vergangenen Jahre dar. Hier hätte die Zusammenarbeit von Human- und Tiermedizin hervorragende, sichtbare Ergebnisse gebracht. Darüber hinaus sieht er moderne Techniken wie NGS und MLST kombiniert mit offenen Datenbanken und entsprechenden Infrastrukturen als wichtige Instrumente bei der schnellen Erkennung und wirksamen Bekämpfung von Lebensmittel-bedingten Zoonosen.
Zwischen den einzelnen Vorträgen und in der Abschlussdiskussion wurde heiß diskutiert. Welche große Bedeutung hat denn die frühzeitige und vollständige Infektionsmeldung von Ärztinnen/Ärzten und Ämtern tatsächlich? Ist die viel zitierte „Lebensmittelkette“ vom lebensmittel-liefernden Tier bis zum Verbraucher unter Einbeziehung von Handels- und Verarbeitungswegen und nicht eigentlich mehr ein „Lebensmittel-Netz“? Wie kann Diagnostik so beschleunigt werden, dass gefährliche Lebensmittel tatsächlich rechtzeitig aus den Verkaufsregalen verschwinden können? Was ist zu tun, damit sich auch die Verbraucher selbst besser schützen lernen, indem sie ihr Verhalten anpassen?
In der Diskussion wurden zahlreiche Aspekte genannt und Wissen ausgetauscht:
Das Wissen über das Vorkommen von regional auftretenden Infektionen kann überregional tatsächlich ein konkreteres Bild erzeugen und das Ergreifen geeigneter Maßnahmen oft erst möglich machen. Im Lebensmittelbereich wird häufig überregional bzw. international Handel getrieben, was eine sehr große Streuung von Infektionen, die auf derselben Ursache basieren, bedeuten kann.
Besonders wichtig bei Lebensmittel-übertragenen Zoonosen ist die enge Kooperation zwischen Gesundheitsamt, Veterinäramt und Lebensmittelüberwachung. Sehr selten sind diese Ämter unter einem Dach vereint, so dass ein enger Austausch nicht selbstverständlich ist. Abhängig vom Lebensmittel, das an der Übertragung einer Infektionskrankheit beteiligt ist, kann ein Ausbruch schneller oder langsamer erkannt und eingedämmt werden. Ist Tiefkühlware beteiligt, kann ein Ausbruch, solange er nicht erkannt ist, über Monate andauern. Ist Frischware mit sehr kurzer Verfallszeit, wie beispielsweise Fisch, beteiligt, ist es sogar ausgesprochen schwierig, einzelne Chargen rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen, da die detaillierte Diagnostik manchmal langwieriger ist, als sich das Lebensmittel im Handel befindet bzw. in den Kühlschränken der Verbraucher liegt. Dies zeigt, wie wichtig das Wissen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei dieser Art von Zoonosen sind.
Damit Verbraucher sich selbst besser schützen können, sollten verstärkt Grundlagen der Küchenhygiene vermittelt werden. Ein ansprechendes Beispiel dafür, wie das Bewusstsein für Pathogene im Lebensmittel geweckt werden kann, ist das Video „5 Keys“ der WHO zur Küchenhygiene.
Die Referentinnen, Referenten und Organisatoren des Workshops (v.l.n.r): Britt Friebertshäuser, Lothar H. Wieler, Bernhard Bornhofen, Stephan Ludwig, Elisabeth Hauser, Thomas Alter, Ilia Semmler, Sven Halbedel, Peter Tinnemann
Vorschläge zur Zusammenarbeit
Grundsätzlich sind sowohl die Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft als auch des Gesundheitswesens sehr an Kooperationen interessiert. Es wurden Modelle, wie man effektiv zusammenarbeiten kann, diskutiert. Beispielsweise könnten den Ämtern Diagnostikkits oder Untersuchungsmaterialien von wissenschaftlichen Laboren zur Verfügung gestellt werden, wenn bestimmte Fragestellungen in einem wissenschaftlichen Kooperationsprojekt bearbeitet werden sollen. Die Ergebnisse solcher Projekte sollten dann wiederum publiziert werden – und zwar nicht nur zugänglich für Wissenschaftler*innen, sondern leicht zugänglich und verständlich, damit auch in der Politik leichter erkannt werden kann, wie wichtig es ist, dass der ÖGD sich an der Forschung beteiligt und welche Relevanz die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse konkret für die Bevölkerung haben. Es wurde hervorgehoben, wie wichtig die Daten aus den Ämtern für die Forschung sind – wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Ämter keineswegs als reine Datenlieferanten verstanden werden sollen, sondern eine wichtige Schnittstelle zwischen Bevölkerung und Wissenschaft darstellen. Der ÖGD kann vor Ort und regional passend Impulse setzen und aktiv zum Gesundheitsschutz beitragen, während die Wissenschaft Analysen und aktuelle Forschungsergebnisse bieten kann.
Da Capo
Mit 64 anwesenden Teilnehmer*innen aus Wissenschaft, Öffentlichem Veterinär- und Gesundheitsdienst und Interessierten aus Landesministerien und Verbänden war der Veranstaltungsraum maximal gefüllt. Zahlreiche Personen auf der Warteliste konnten leider nicht teilnehmen. Wegen des großen Zuspruchs wird derzeit geprüft, inwiefern die Veranstaltung in dieser oder ähnlicher Form im kommenden Jahr erneut angeboten werden kann.
Programm zur Veranstaltung
Die Folien zu den Vorträgen wurden dankenswerterweise von den Referenten zum Nachlesen zur Verfügung gestellt. Eine weitere Verwendung ist nicht gestattet. Bei Rückfragen zu den Folien, wenden Sie sich bitte an den jeweiligen Vortragenden.
Schwerpunkt Campylobacter
Prof. Dr. Thomas Alter, Institut für Lebensmittelhygiene, FB Veterinärmedizin, Freie Universität Berlin
Schwerpunkt Escherichia coli
Dr. Elisabeth Hauser, Fachgruppe Lebensmitteltechnologische Verfahren, Warenketten und Produktschutz, Bundesinstitut für Risikobewertung, Berlin
Schwerpunkt Listerien
Dr. Sven Halbedel, Nationales Referenzzentrum für Salmonellen und andere Enteritiserreger, Robert Koch-Institut, Wernigerode
Was sind die relevantesten Herausforderungen in der täglichen Praxis des Gesundheitsamtes?
Dr. Bernhard Bornhofen, Stadtgesundheitsamt Offenbach
Was sind die relevantesten Herausforderungen in der täglichen Praxis des Veterinäramtes?
Dr. Britt Friebertshäuser, Gesundheitsdienste Hochtaunuskreis
Perspektiven für einen Brückenschlag durch das One Health Concept – woran müssen wir gemeinsam Arbeiten um Gefahren durch lebensmittelbedingte Übertragung zu vermindern?
Prof Dr. Lothar Wieler, Robert Koch-Institut, Berlin