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Von Mäusen und Menschen

© Alexas Fotos, Pixabay

Von Mäusen und Menschen

In den Sommer- und Frühherbstmonaten macht sich immer wieder eine zoonotische Infektionskrankheit bemerkbar. Aufgrund ihrer Symptome könnte sie von einigen Betroffenen auch als „Sommergrippe“ abgetan werden. Doch dahinter verbirgt sich eine für viele Menschen unbekannte Erkrankung: die Leptospirose. 

 

Hohes Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen – 45 Personen klagten im Sommer 2014 in der Region südliches Oldenburg über diese Symptome. Hinzu kamen bei einigen Betroffenen Entzündungen von Leber und Nieren. Ungefähr die Hälfte der Erkrankten musste im Krankenhaus behandelt werden. So seltsam die plötzliche Häufung war, eines hatten alle Betroffenen gemeinsam: Sie waren Erntehelfer, genauer gesagt, Erdbeerpflücker. 

Der Verdacht fiel also schnell auf die Feldarbeit – und damit auf das, was man früher Erntefieber oder Erbsenpflückerfieber nannte. Hauptverdächtiger: Ein Bakterium, das in Nagetieren vermehrt auftreten kann. Sollte sich der Verdacht erhärten, würde alles auf eine Zoonose, also auf eine Infektionskrankheit, die von einem Tier auf den Menschen übertragen wurde, hindeuten. 

Und tatsächlich: Nach genauerer Untersuchung der Fälle stellte sich heraus, dass es sich bei den Erkrankungen um die sogenannte Leptospirose, verursacht durch eine Infektion mit Bakterien der Gattung Leptospira, handelte.

Involviert in die damaligen Ereignisse war auch Dr. Johannes Dreesman vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt. Noch heute beschäftigt er sich als Leiter der Abteilung Mikrobiologie, Krankenhaushygiene, Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie eingehend mit dem Vorkommen der Leptospirose. Als Teil des interdisziplinären Verbundes RoBoPub gehört er dem Forschungsnetz Zoonotische Infektionskrankheiten an. Sowohl Leptospiren als auch Hantaviren werden innerhalb des Verbundvorhabens parallel untersucht, da beide in ähnlicher Weise durch Nagetiere übertragen werden können. Das Projekt besteht weiterhin aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Friedrich-Loeffler-Instituts in der Nähe von Greifswald, des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin, des Julius Kühn-Instituts in Quedlinburg, des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, der Universitätsmedizin Charité Campus Mitte, des Nationalen Konsiliarlaboratoriums für Hantaviren, des Instituts für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Universität Leipzig sowie des Süddeutschen Instituts für empirische Sozialforschung. Ziele der Forschung sind unter anderem Gesundheitsempfehlungen und Risikobewertungen insbesondere für betroffene Personengruppen sowie für die Human- und Veterinärmedizin zu erstellen.

Denn auch Hunde, Pferde, Schweine und Rinder, also Haus- und Nutztiere, können die Leptospira-Bakterien an den Menschen weitergeben. Entscheidend bei der Verbreitung sind jedoch Nagetiere wie etwa Feldmäuse und Ratten. Mit ihrem Urin können sie den Erreger mitunter in hoher Anzahl ausscheiden. Zwar zeigen sie selbst keine Symptome, können die Bakterien aber ihr gesamtes Leben lang in sich tragen. So verstarb vor knapp drei Jahren Mann in Baden-Württemberg, nachdem er sich an seinem Haustier, einer Ratte, angesteckt hatte. Das Tier war gepflegt und befand sich in sehr gutem Ernährungs- und Hygienezustand. Und vor allem: Die Ratte zeigte äußerlich keine Krankheitsanzeichen. Auch die inneren Organe waren makroskopisch und histologisch, also im Feingewebe, ohne Krankheitsanzeichen. Erst mit einem spezialisierten Test konnten in der ansonsten gesunden Niere massenhaft schraubenförmige Bakterien nachgewiesen werden. Um einen Menschen zu infizieren, müssen die Erreger über kleine Wunden in der Haut oder die Schleimhäute von Auge, Nase und Mund in den menschlichen Körper eindringen. Dabei kann der Urin, das Blut oder Gewebe der erkrankten Tiere auch in Wasser oder Schlamm vorkommen und damit weiterverbreitet werden.

Die Bakterien selbst haben einen schraubenförmigen, langgestreckten Körper und bewegen sich mittels Geißeln fort. Ursprünglich stammen sie aus den Tropen, sind mittlerweile aber auch in Deutschland heimisch geworden. Ihr Vorkommen wird durch warme Temperaturen und eine konstante Feuchtigkeit bedingt, außerhalb ihres Wirts können sie sich jedoch nicht vermehren – allerdings wochen- oder sogar monatelang überleben und ansteckend sein.

Zeigen sich erste Krankheitssymptome bei einem Menschen, haben sich die Bakterien bereits ein bis zwei Wochen in seinem Blut vermehrt. Zwar verlaufen neunzig Prozent aller Infektionen milde und werden von grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen begleitet, ein schwerer Verlauf kann aber potenziell jedes Organsystem betreffen. So kann eine Leptospirose sowohl Leber- und Nierenschäden sowie Entzündungen des Zentralnervensystems als auch Blutungen im Bereich der Lunge zur Folge haben. Unbehandelt ist ein schwerer Verlauf mit einer hohen Letalität verbunden - etwa zwanzig Prozent der Patienten sterben. Wird eine Leptospirose früh diagnostiziert, kann sie allerdings sehr gut mit Antibiotika behandelt werden.

In Deutschland ist die Leptospirose nach wie vor eine seltene Krankheit, die saisonal im Sommer und Frühherbst auftritt. Jährlich werden in Deutschland bis zu 160 Erkrankungen gemeldet. Aufgrund der hohen Zahl an milden Verläufen geht man jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.

 

Quellen:

  • https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Leptospirose.html
  • https://www.gesundheit.de/krankheiten/infektionskrankheiten/tropenkrankheiten/leptospirose
  • https://www.bfr.bund.de/de/konsiliarlabor_fuer_leptospiren-188079.html
  • https://www.bfr-akademie.de/media/wysiwyg/2019/SZL2019/epidemiologie-von-leptospiren-in-deutschland.pdf
  • https://medlexi.de/Leptospirose
  • https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/infektionen/was-ist-leptospirose-2022248
  • https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=8&ID=2526

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