Traditionelle Medizin gegen Campylobacteriose
Wenn es einem nach dem Verzehr von Essen den „Magen umdreht“ oder „Montezumas Rache“ überkommt, wird das häufig mit dem Schlagwort „Lebensmittelvergiftung“ abgetan. Oft steckt dahinter jedoch eine Zoonose – genauer: eine Campylobacter-Infektion, die bedeutendste lebensmittelassoziierte Zoonose beim Menschen. Vor allem mit Hygienemaßnahmen bei der Lebensmittelzubereitung lässt sich eine Campylobacteriose vorbeugen. Doch nach einer Infektion, die durchaus gesundheitlich schwerwiegende Folgen haben kann, gestaltet sich die Therapie oft schwieriger. Innerhalb des Forschungsverbundes PAC-Campy widmet sich ein Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Bereswill und PD Dr. Markus M. Heimesaat vom Institut für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Berliner Charité der „Erforschung der molekularen Wirkmechanismen neuer Therapeutika“.
Gerade bei bakteriell verursachten Darminfektionen werden Antibiotika nicht empfohlen, da die Wirkstoffkonzentration hier nicht kontrolliert werden kann. Der Grund: Die Entzündung verursacht eine Malabsorption, die Nährstoffe können nicht richtig aufgenommen werden, hinzu kommen Wasserverlust und Durchfall. Darüber hinaus weisen Campylobacter hohe Resistenzraten gegenüber den eingesetzten Antibiotika auf, was ihre Wirkung faktisch stark einschränkt. Im Vordergrund der Therapie steht zurzeit also die Symptombehandlung in Form von Elektrolytausgleich und Rehydrierung. Schwere Verlaufsformen oder gar Folgekomplikationen können hierdurch jedoch nicht verhindert werden. „Der Bedarf an alternativen Therapeutika ist also gegeben. In neu entwickelten Tiermodellen ermitteln wir deren Wirkung und validieren sie präklinisch“, sagt Prof. Dr. Stefan Bereswill.
Das Tiermodell, das entsprechend entwickelt werden musste, wurde in der Maus etabliert. Anhand dieses Modells ist es nun möglich, innovative prophylaktische und therapeutische Ansätze auf der präklinischen Ebene zu erforschen. Das Faszinierende: Labormäuse weisen eine besonders ausgeprägte Kolonisationsresistenz gegenüber Campylobacter jejuni auf. Daraus ließ sich die Hypothese folgern, dass die Identifizierung derjenigen Darmbakterien und –metaboliten, die eine Infektion verhindern, damit möglich ist. Experimentelle Ergebnisse der Forschungsgruppe bestätigten dies – und ermöglichten neue therapeutische und präventive Strategien zu erschließen.
Neben den tierexperimentellen Arbeiten werden zudem immunologische und mikrobiologische Untersuchungen in den Laboratorien am Campus Benjamin Franklin der Charité durchgeführt. Ermittelt werden die Zusammensetzung des Mikrobioms, die Menge der Campylobacter-Bakterien und der Zellen des Immunsystems im Darm sowie die Konzentrationen an Immunmediatoren und bakteriellen Metaboliten.
„Wir haben aus den Molekülen, die Kolonisationsresistenz gegenüber Campylobacter jejuni vermitteln, Substanzhomologe abgeleitet, für die antimikrobielle oder anti-inflammatorische Wirkungen aus der traditionellen Medizin bekannt sind“, so PD Dr. Markus M. Heimesaat.
So konnten durch vergleichende Mikrobiom- und Metabolomanalysen von Fäzesproben aus Mäusen mit und ohne Kolonisationsresistenz Bakterienarten und mehrere phenolische Metabolite sowie Ascorbat identifiziert werden, die an der Kolonisationsresistenz gegenüber C. jejuni im Darm beteiligt sind.
Die Symptomatik der Campylobacteriose im klinischen Mausmodell verbesserte sich nach Gabe dieser identifizierten Substanzen. Es zeigte sich eine eindeutig anti-inflammatorische Wirkung gegen die Campylobacter-Infektion.
Konkret bedeutet dies, dass Vitamin C, Curcumin, Resveratrol, Vitamin D und Carvacrol die Erkrankungssymptomatik der Campylobacteriose im Mausmodell bessern. Auch ätherische Öle aus Nelken, Kreuzkümmel, Kardamom und Knoblauch eignen sich für die Behandlung. Daneben hat sich das Urolithin A, das von Darmbakterien produziert wird, als besonders wirksam und entzündungshemmend erwiesen. Auch Aktivkohle sowie das Probiotikum Aviguard haben den Erkrankungsverlauf im Tiermodell gemildert.
Diese Substanzen versprechen nicht nur eine Besserung der akuten Campylobacteriose, sondern bieten womöglich auch einen Schutz vor schweren Folgekomplikationen wie etwa dem Reiter-Syndrom, dem Guillain-Barré-Syndrom oder Reaktiver Arthritis – denn dass das Risiko für die Manifestation von Folgeerkrankungen von der Schwere der primären Darmentzündung abhängt haben Studien bereits belegt. Ist also die Symptomausprägung stärker, steigt die Wahrscheinlichkeit einer solchen Erkrankung.
„Jetzt müssen klinische Studien auf den Weg gebracht werden, die die Wirkung der Substanzen gegen Campylobacteriose auch beim Menschen überprüfen“, so Bereswill.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich auch die Ernährung auf das Erkrankungsrisiko und die Symptomstärke auswirken könnte. Somit stehen neue Ansatzpunkte für Therapiemöglichkeiten gegen eine Krankheit zur Verfügung, die die öffentlichen Gesundheitssysteme und die wirtschaftliche Produktivität EU-weit jährlich rund 2,4 Milliarden Euro kosten.