
Küche, Grill und zoonotische Keime
Der Sommer ist nicht nur die Grillsaison, sondern auch die Hauptsaison von Magen-Darm-Infektionen, die über frisches Fleisch übertragen werden. Besonders tut sich dabei die Bakterien-Gattung Campylobacter hervor. Die sogenannte Campylobacteriose ist mittlerweile in Deutschland und vielen weiteren europäischen Ländern die häufigste Form einer Darminfektionskrankheit.
Im alten Rom war das Amt des Chefvorkosters, auch Praegustator genannt, eine zweischneidige Sache: Einerseits erhielt derjenige, der das Amt innehatte, Zugang zu kulinarischen Genüssen, die ihm im Normalfall verwehrt gewesen wären, andererseits traf ihn ein eventueller Giftanschlag zuerst und unmittelbar, der eigentlich seinem Herrscher gelten sollte. Dadurch erklärt sich wohl auch, dass der Vorkoster typischerweise ein Sklave war. Wie oft diese Vorkoster jedoch nicht absichtlich vergiftet wurden, sondern sich eine Infektion mit Campylobacter-Bakterien zuzogen, ist nicht überliefert.
Heute zählt die Infektion zu den häufigsten durch Lebensmittel verursachten Magen-Darm-Erkrankungen beim Menschen. Besonders oft treten die Bakterien in den Sommermonaten – also gerade auch zur Grillsaison – in Erscheinung.
Innerhalb des Forschungsnetzes Zoonotische Infektionskrankheiten setzt sich der Verbund PAC-Campylobacter (Preventing and Combating Campylobacter infections) mit der Prävention und Bekämpfung der Zoonose auseinander. Dabei werden insbesondere Interventionstrategien, therapeutische Ansätze, Diagnostik und das Überleben des Bakteriums außerhalb des Wirts untersucht. In den vergangenen Jahren nahm die Zahl von Infektionen mit Campylobacter-Bakterien in Deutschland beständig zu. Das Robert Koch-Institut zählt jährlich mehr als 60.000 gemeldete Erkrankungen, wobei die Dunkelziffer weit höher liegen dürfte, da zum einen viele Infektionen asymptomatisch verlaufen, zum anderen viele Betroffene keinen Arzt aufsuchen.
Verursacher der Infektion sind vor allem die Bakterien Campylobacter jejuni und Campylobacter coli. In der Regel sind sie als spiralförmige Stäbchen mit einer Breite von 0,2 bis 0,8 µm und einer Länge von 0,5 bis 5 µm unter dem Mikroskop sichtbar. Die Bakterien vermehren sich bei bestimmten, günstigen Umweltbedingungen – einem pH-Wert zwischen 4,9 und 9,0, einer Temperatur zwischen 30 und maximal 47 Grad Celsius und einer Sauerstoffumgebung von optimal 5 Prozent – besonders effektiv. Jedoch folgt daraus kein schnelles Absterben unter ungünstigen Bedingungen. Im Gegenteil besitzen sie eine relativ hohe Überlebensfähigkeit: Sind die Bedingungen suboptimal, ändern sie ihre Gestalt einfach zu Kokken, also kugelförmigen Bakterien. Damit erhalten sie bis auf die Zellteilung alle physiologischen Charakteristika bei – und können weiterhin eine Infektionskrankheit beim Menschen verursachen. Denn wenn die Kokken wieder in den Darm aufgenommen werden, werden sie wieder beweglich und infektiös.
Die Infektion mit dem Erreger geschieht über kontaminierte Lebensmittel. Besonders unwahrscheinlich ist das zumindest bei Geflügelfleisch nicht. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 ergab, dass in 67 von 110 Proben frischen Geflügelfleischs das Bakterium nachgewiesen werden konnte. Man geht davon aus, dass es keine 100 Prozent Campylobacter-freien Geflügelherde in Deutschland gibt.
Weit verbreitet sind die Campylobacter-Bakterien demnach vor allem im Geflügel. In nahezu jeder Tierspezies lassen sich jedoch die Erreger nachweisen. Denn Wild-, Nutz- und Heimtiere sind die natürlichen Wirte dieser Bakterien. Bei einer Infektion zeigen Tiere jedoch keinerlei Symptome, so dass sich betroffene Tiere nicht von denjenigen unterscheiden, die nicht betroffen sind. Infiziert sich ein Mensch mit dem Bakterium, handelt es sich also um eine Zoonose – um einen Erreger, der vom Tier auf den Menschen übergegangen ist. Und diese Übertragung erfolgt meistens fäkal-oral.
Die Tiere scheiden die Erreger über ihre Fäkalien aus. Ist ein Lebensmittel mit Spuren von Ausscheidungen – etwa durch den Schlachtvorgang oder das Melken – kontaminiert, kann es zu einer Infektion beim Menschen kommen. Bereits 500 Keime – also bereits geringe Mengen des Erregers – genügen, um eine Infektion auszulösen. Campylobacter-Bakterien gelten daher als sehr ansteckend.
In den meisten Fällen erfolgt eine Infektion aufgrund eines nicht sachgemäßen Umgangs mit Lebensmitteln und einer unzureichenden Küchenhygiene. Rohes oder ungenügend erhitztes Geflügelfleisch und Kreuzkontaminationen während der Zubereitung, also die Kontamination von Lebensmitteln, die im Nachhinein verunreinigt werden, wie beispielsweise durch die Verwendung des gleichen Bretts, auf dem zuvor rohes Geflügel geschnitten wurde, für Salat, sind die Hauptursachen einer Übertragung. Als weitere Infektionsquellen kommen Rohmilch, rohes Schweine- oder Rindfleisch, kontaminiertes Trinkwasser oder kontaminierte Badeseen infrage. Auch der Umgang mit infizierten Haustieren, beziehungsweise der Kontakt mit deren Kot, kann eine Erkrankung auslösen.
Die Campylobacteriose führt vor allem zu schweren Durchfallerkrankungen kombiniert mit weiteren Symptomen wie Fieber, Unterbauchkrämpfen und Müdigkeit. Während der Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen kommt es zu einer Vermehrung der Bakterien in der Gallenflüssigkeit und im oberen Dünndarm, wobei sie in die Darmschleimhaut wandern und dort schließlich eine akute Entzündung auslösen, die die Darmwand schädigt und dadurch weitere Infektionen begünstigt. In der Regel ist die Campylobacter-Erkrankung nach einigen Tagen überstanden. Aber auch Spätfolgen wie Arthritis und das Guillain-Barré-Syndrom, eine entzündliche Autoimmunerkrankung des peripheren Nervensystems, die Lähmungen bis hin zu einer Lähmung der Atemwegsorgane hervorruft, sind in seltenen Fällen möglich. Solange sich die Erreger im Stuhl des Erkrankten befinden, was bis zu vier Wochen der Fall sein kann, ist er über seine Ausscheidungen ansteckend. Besonders gefährdet sind Säuglinge, Kleinkinder, ältere Menschen und Menschen mit einer eingeschränkten Immunabwehr.
Während die Bakterien durch Gefrieren nicht abgetötet werden, sterben sie bei einer Temperatur von über 70 Grad Celsius ab. Ausreichendes Erhitzen bei der Zubereitung – wie etwa beim Grillen – ist daher neben den entsprechenden Hygienemaßnahmen besonders wichtig – und dies dürfte auch den Chefvorkoster im alten Rom vor einer Infektion bewahrt haben.
Quellen:
- https://zoonosen.net/workshop-bon-appetit-one-health-lebensmittel-bedingte-erkrankungen-durch-zoonosen-2016
- https://zoonosen.net/nachbericht-lgl-gespraeche-zur-lebensmittelsicherheit-lebensmittel-und-zoonosen-ein
- https://www.bfr.bund.de/de/campylobacter-54346.html
- https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/Jahrbuch_2018.pdf?__blob=publicationFile
- https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/campylobacter/tab/1/
- https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/lebensmittel/lebensmittelhygiene/krankmachende_
mikroorganismen_und_viren/campylobacter/campylobacter-108236.html - https://www.infektionsschutz.de/erregersteckbriefe/campylobacter.html
- https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Campylobacter.html
- https://www.cdc.gov/campylobacter/index.html