Direkt zum Inhalt
  • 0
  • 1

Q-Fieber: „Es kann von einer sehr hohen Dunkelziffer der Infektionen ausgegangen werden“

© FAU/Hasso Schüler

Q-Fieber: „Es kann von einer sehr hohen Dunkelziffer der Infektionen ausgegangen werden“

Ihr Forschungsgegenstand ist ein hochinfektiöses Bakterium: PD Dr. rer. nat. Anja Lührmann beschäftigt sich in ihrer Grundlagenforschung am Mikrobiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen mit dem Q-Fieber auslösenden Erreger Coxiella burnetii. Innerhalb des Forschungsnetz Zoonotische Infektionskrankheiten koordiniert sie den interdisziplinären Verbund Q-GAPS. Gemeinsam mit ihren Verbundkolleginnen und Verbundkollegen beantwortet sie für den aktuellen Newsletter wichtige Fragen zum bakteriellen Erreger, seiner Infektiosität und Verbreitung.

 

Die Q-Fieber-Krankheitssymptome, die beim Menschen zunächst auftreten, können leicht falsch diagnostiziert werden. Ist davon auszugehen, dass es immer wieder eine hohe Dunkelziffer an C. burnetii-Infektionen gibt?

Ja, davon ist auszugehen. Die akute C. burnetii-Infektion zeigt sich durch eher unspezifische grippeartige Symptome, die in den meisten Fällen selbstlimitierend sind. Selbst wenn der infizierte Patient den Hausarzt konsultieren würde, käme es nicht unbedingt zu der Diagnose Q-Fieber, und die Infektion bliebe somit unerkannt. Des Weiteren kann sich das akute Q-Fieber als akute Hepatitis und/oder Pneumonie manifestieren. Außerdem kann der Patient das chronische Q-Fieber entwickeln, das als Endokarditis oder in seltenen Fällen als Osteomyelitis auftritt. Diese Symptome sind wichtige Anzeichen einer Infektion mit C. burnetii, jedoch findet die Differenzialdiagnose sehr wahrscheinlich noch zu selten statt. Ein typisches Szenario für Q-Fieber in der Bevölkerung ist die Häufung der beschriebenen Symptome in einer Region bzw. bei einem Hausarzt, die dann mit dem Erreger C. burnetii in Verbindung gebracht wird und dazu führt, dass weiterführende Diagnostik zur Verdachtsbestätigung eingeleitet wird (z.B. serologische Untersuchungen). Das heißt, dass zunächst einmal das Bewusstsein für Q-Fieber vorhanden sein muss, bevor die Differenzialdiagnose in Betracht gezogen und der notwendige diagnostische Test durchgeführt wird. Andernfalls muss von einer sehr hohen Dunkelziffer der C. burnetii-Infektionen ausgegangen werden.

 

Schafe und Rinder übertragen das Bakterium in der Regel auf den Menschen. Doch Wiederkäuer sind auch nur Zwischenwirte. Kann man denn sagen, welches Tier das ursprüngliche Reservoir für C. burnetii ist?

Darüber gibt es noch keine gesicherte Datenlage. Ob Wiederkäuer wirklich nur Zwischenwirte sind, ist fraglich. Immerhin können Schafherden, abhängig vom Reproduktionsmanagement den Erreger über mehrere Jahre beherbergen, ohne dass das zwangsläufig zu deutlichen klinischen Symptomen führt. Wiederkäuer gelten somit allgemein als Reservoir für C. burnetii. Über weitere potenzielle Reservoir-Wirte ist noch relativ wenig bekannt.

 

Ist eine Übertragung von C. burnetii auch von Mensch zu Mensch möglich? 

In sehr speziellen und seltenen Fällen kann es eine Mensch-zu-Mensch Übertragung geben. So kann eine infizierte, gebärende Frau Geburtshelfer infizieren. Auch ist eine Übertragung im Rahmen einer Bluttransfusion beschrieben.

 

Kann der Erreger auch über Lebensmittel übertragen werden?

Darüber haben Experten verschiedene Meinungen. Sicher ist allerdings, dass infizierte Tiere den lebensfähigen Erreger auch über die Milch ausscheiden. So kann C. burnetii in den Milchtanks von infizierten Beständen nachgewiesen werden. Der französische Mikrobiologe und renommierte Coxiellen-Forscher Prof. Didier Raoult geht davon aus, dass humane Infektionen durch den Konsum von Rohkäse-Produkten, die aus C. burnetii-kontaminierter Milch hergestellt worden sind, verursacht werden. Allerdings gab es Versuche in den 60er Jahren an Häftlingen in den USA, denen C. burnetii-kontaminierte Milch zum Verzehr gegeben wurde. Dabei zeigte sich keine Korrelation zwischen dem Konsum der kontaminierten Milch und der Entwicklung von Krankheitssymptomen. Dies kann als Hinweis aufgefasst werden, dass für eine symptomatische Infektion über die Nahrung (im Gegensatz zur Infektion über Aerosole oder Stäube) eine sehr hohe Erregermenge benötigt wird. Trotzdem würde ich keine Rohmilch ohne vorheriges Abkochen zu mir nehmen.

 

Wie lässt sich eine Infektion beim Menschen nachweisen?

Diagnostiziert wird die Infektion über den serologischen Nachweis von Antikörpern. Dabei werden zu Anfang der Erkrankung IgM Antikörper nachgewiesen, später werden auch IgG Antikörper gebildet und nachgewiesen. Diese sind bei der akuten Erkrankung gegen Phase II Bakterien gerichtet, bei dem chronischen Q-Fieber überwiegen dagegen IgG Antikörper gegen Phase I Bakterien. Der Erreger lässt sich auch mittels PCR oder Immunfluoreszenz nachweisen. Die aufwändige und schwierige Anzucht des Erregers spielt bei der Diagnose keine Rolle, da dafür nur sehr wenige Speziallabore ausgestattet sind.

 

Die Infektiosität von C. burnetii ist extrem hoch. Weshalb gibt es dennoch relativ wenige registrierte Fälle pro Jahr?

Das liegt zum einen an der Tatsache, dass die Infektion in 50-60% der Fälle ohne Symptome abläuft, d. h. der Infizierte merkt nichts bewusst von seiner Infektion. Bei den restlichen Fällen kommt es vor allem zu grippeartigen Symptomen, die nicht als Q-Fieber diagnostiziert werden. Nur in den seltenen Fällen, in denen der Patient eine Hepatitis, Pneumonie oder Endokarditis entwickelt oder es zu einer Häufung der Symptome in der Bevölkerung kommt, wird das auslösende Agens analysiert und Q-Fieber diagnostiziert.

 

Weshalb kommt der Erreger in zwei unterschiedlichen Phasen, einer sehr infektiösen und einer avirulenten, vor?

Das ist eine wichtige Frage, die noch nicht geklärt ist. Tatsache ist, dass sich aus der hoch infektiösen Phase I durch die Anzucht in Flüssigkultur und in Zelllinien die avirulente Phase II entwickelt. Dabei entsteht die Phase II durch genetische Veränderungen, die z.B.  die Synthese des Volllängen-Lipopolysaccharids (LPS) betreffen. Generell ist es so, dass es wahrscheinlich durch den fehlenden Druck eines immunologisch kompetenten Wirtes zu einer sukzessiven Deletion von Genen in der LPS Synthese kommt. Dadurch kommt es vor allem zum Verlust des O-Antigens. Diese Deletion ist nicht reversibel. Phase II Bakterien können also nicht wieder zu Phase I Bakterien werden. Da das O-Antigen die Erkennung des Bakteriums durch das Immunsystem verhindert bzw. reduziert, werden die Phase II Bakterien sehr schnell vom Immunsystem erkannt und eliminiert. Ob diese Phasenvariation nur durch die künstliche Anzucht entsteht oder auch im infizierten Tier oder Mensch ist noch nicht abschließend geklärt. Da LPS ein ganz wesentlicher Virulenz-Faktor ist, sind hier noch weitere Untersuchungen notwendig. 

 

Infektiöse Erreger können bereits über Zeckenkot weitergegeben werden. Wie genau kann man sich die Verbreitung vorstellen?

In der Tat werden Zecken immer wieder als Vektoren für Q-Fieber genannt, und der Erreger wurde ursprünglich aus einer Zecke isoliert. Es gibt Nachweise von C. burnetii im Zeckenkot, und die Ausscheidung lebensfähiger Bakterien mit dem Kot konnte experimentell bestätigt werden. Hier ist jedoch zu beachten, dass die im Experiment eingesetzten Erregermengen nicht unmittelbar mit denen im Blut des Tieres während der Bakteriämie vergleichbar sind. Hier gibt es zu wenige Daten über Höhe und Dauer der bakteriämischen Phase. Erstaunlicherweise konnte man in deutschen Endemiegebieten und während des Q-Fieber-Ausbruchs in den Niederlanden den Erreger nur sehr selten oder gar nicht in Zecken selbst nachweisen. Die Rolle der Zecken bzw. des Zeckenkots muss deshalb noch weiter geklärt werden. Eine mögliche Übertragung kann durch Aufwirbelung des Zeckenkots und den darin enthaltenen Bakterien stattfinden. Durch Inhalation von erregerhaltigen Stäuben könnte es dann zur Infektion von Tier und Mensch, z. B. bei der Schafschur, kommen. In der Tierhaltung werden allerdings Insektizide eingesetzt, welche die Tiere vor einem Befall durch Zecken, Läuse und anderen Arthropoden schützen.
Unabhängig von den Zecken, kann der Erregereintrag in eine Herde auch durch beispielsweise den Zukauf von infizierten Zuchttieren stattfinden.

 

Gibt es durch die Massentierhaltung ein höheres Verbreitungsrisiko bzw. können sich Infektionen durch die Massentierhaltung eher zu einer Epidemie entwickeln?

Bei fehlenden Schutzmaßnahmen und räumlicher Nähe zwischen der Tierhaltung und Wohnsiedlungen ist dies durchaus möglich. Ein Beispiel dafür ist der bislang größte Q-Fieber-Ausbruch, der zwischen 2007-2010 in den Niederlanden stattfand. Dabei haben sich über 4.000 Menschen infiziert (es wird sogar von einer zehnfach höheren Dunkelziffer ausgegangen), und um diesen Ausbruch unter Kontrolle zu bringen, wurden über 50.000 Tiere gekeult. Ausgang dieses Ausbruchs war die industrielle Milchziegenhaltung und die räumliche Nähe der Betriebe zu Wohngebieten. So hatten Menschen, die in einem Zwei-Kilometer-Radius um eine infizierte Ziegenhaltung lebten, ein stark erhöhtes Risiko an Q-Fieber zu erkranken. In diesem Zusammenhang ist sicherlich das Reproduktionsmanagement in den Betrieben entscheidend, da große Erregermengen insbesondere während und nach der Geburt ausgeschieden werden. Wenn innerhalb weniger Tage mehrere Hundert infizierte Tiere ablammen, wird die Umgebung mit einer riesigen Erregerlast verunreinigt. Ob und wie diese Erreger dann verbreitet werden, hängt auch von der Witterung ab.
Als Folge der Restriktionen in der niederländischen Ziegenhaltung werden viele Milchziegen inzwischen über mehrere Jahre durchgemolken und müssen somit nicht mehr jedes Jahr ein Lamm gebären. Das ist glücklicherweise bei der Ziege möglich, jedoch nicht bei Kühen oder Schafen. Bei den Ziegen sinkt mit dieser Reduktion der Geburten auch das Risiko für Q-Fieber-Ausbrüche. Jedoch reicht aber auch schon ein einziges Tier aus, um viele Menschen anzustecken wie beispielsweise auf einem Bauernmarkt in Soest. Ein infiziertes, lammendes Schaf hat dort 2003 knapp 300 Besucher infiziert. Insofern ist das Verbreitungsrisiko nicht zwangsläufig durch die Massentierhaltung erhöht. 

 

Tiere, die geimpft oder medikamentös behandelt werden, scheiden dennoch infektiöse Erreger aus. Warum ist das so?

Dies liegt unter anderem daran, dass C. burnetii durch pathogene Evasions- und Subversions-Mechanismen die antibakterielle Immunantwort sehr effizient unterwandert und zu seinen Gunsten manipuliert. Zudem bildet C. burnetii resistente, sporenähnliche Dauerformen, die sich der Immunabwehr und/oder medikamentösen Bekämpfung entziehen können.  Des Weiteren spielen bei der C. burnetii-Infektion in Schafen und Ziegen immunprivilegierte Organe und Gewebe (wie z.B. die Gebärmutter mit Plazenta und Fetus) eine sehr wichtige Rolle. Es handelt sich hierbei um Bereiche des infizierten Organismus, in denen Erreger keine starke Immunreaktionen induzieren und Pathogene nur sehr schwer erkannt und eliminiert werden können.
Wie bei vielen Impfstoffen, kann auch der bei Tieren eingesetzte Q-Fieber-Impfstoff die Ausscheidung nicht ganz verhindern. Wird der Impfstoff jedoch vor der Infektion mit dem Erreger eingesetzt, also als Prophylaxe-Maßnahme, wird der Erregerdruck sehr stark gesenkt oder die Erregerausscheidung sogar verhindert. Eine antibiotische Behandlung von Tieren ist derzeit nicht möglich, aufgrund fehlender Zulassungen wirksamer Arzneimittel.

 

Warum ist ein Impfstoff, der bei Menschen eingesetzt werden kann, nur in Australien zugelassen?

Der in Australien zugelassene Impfstoff kann schwere, lokale Nebenwirkungen verursachen, wenn der Impfling vorher bereits mit C. burnetii infiziert war. Deshalb muss das vor der Impfung serologisch ausgeschlossen sein. Es wäre also wünschenswert einen besseren Impfstoff herzustellen. Allerdings ist der finanzielle Anreiz für Firmen in die Entwicklung eines verbesserten Q-Fieber-Impfstoffes zu investieren wohl sehr gering.

 

Was kann im Bereich der Tierzucht und -haltung getan werden, um die Infektion und Ausbreitung des Erregers zu unterbinden?

Die Impfung von Wiederkäuern gegen C. burnetii ist die wirksamste Maßnahme, um eine Ausbreitung des Erregers zu verhindern. Außerdem sind in den „Empfehlungen für Hygienemaßnahmen bei der Haltung von Wiederkäuern“ des BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; Anm. der Redaktion) eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, um die Einschleppung und Ausbreitung von Q-Fieber in Wiederkäuerbeständen zu verhindern. Diese sollen im Rahmen unserer Leitlinie noch durch weitere evidenzbasierte Maßnahmen ergänzt werden.

 

Kann auch das eigene Haustier, etwa bei einem Spaziergang in Waldgebieten, infiziert werden und die Infektion wiederum an den Menschen weitergeben?

Haustiere (Katzen, Hunde, Kaninchen, Vögel) können sich ebenfalls mit C. burnetii infizieren. Allerdings infizieren sich die Haustiere wahrscheinlich nicht in Waldgebieten. Die Übertragung geschieht hier wahrscheinlich durch kontaminierte Stäube von infizierten Wiederkäuern. Ob infizierte Ektoparasiten (Zecken) eine Rolle spielen ist ungeklärt. Insbesondere infizierte Katzen haben in der Vergangenheit zu nachgewiesenen humanen Kleinraumepidemien im Zusammenhang mit der Geburt von Kätzchen geführt.

 

Gibt es bestimmte Regionen, in denen der Erreger vermehrt vorkommt?

Der Erreger kommt weltweit vor, mit Ausnahme Neuseelands und der Antarktis. Besonders gefährdet sind Personen mit engem Umgang mit Tieren. Dazu gehören neben Landwirten und Tierärzten auch Schlachthofmitarbeiter. In Deutschland konnte der Erreger besonders häufig in Schafbeständen in Bayern und Baden-Württemberg nachgewiesen werden.

 

Weshalb gibt es bislang kein Überwachungssystem von Q-Fieber-Fällen bei Tieren?

Q-Fieber ist im Gegensatz zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen, die hohe wirtschaftliche Schäden verursachen und auf staatliche Bekämpfungsmaßnahmen angewiesen sind, „nur“ eine meldepflichtige Tierkrankheit. Diese werden nicht mit staatlichen Mitteln bekämpft, aber es muss ein ständiger Überblick und Kenntnis über das aktuelle Infektionsgeschehen vorhanden sein, um frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Deshalb ist der Erregernachweis meldepflichtig und wird im Tierseuchen-Nachrichtensystem (TSN) hinterlegt.  Bei den Meldungen handelt es sich jedoch meist um Nachweise aus Proben zur diagnostischen Abklärung eines Abortgeschehens bei Wiederkäuern, also ein passives Überwachungssystem. Deshalb erarbeiten wir ein aktives Monitoring- und Surveillance-System, um gezielt Proben, unabhängig von den klinischen Ausprägungen, zu untersuchen. Da besonders bei Schafen eine Infektion häufig klinisch unauffällig verläuft, wäre bei diesen ein aktives Monitoring besonders sinnvoll.
Für ein aktives Monitoring gibt es derzeit allerdings nur eine geringe Akzeptanz, sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Politik. Dies mag einerseits an der sehr unterschiedlichen Verteilung der humanen Fallzahlen in den einzelnen Bundesländern liegen, andererseits sicher an der Frage der Finanzierung eines solchen Monitorings.

 

Was sind die Herausforderungen, um ein solches System zu erstellen?

Erste Ansätze, ein solches System zu etablieren, bestehen bereits in Niedersachsen, allerdings immer noch auf freiwilliger Basis. Hier besteht noch sehr viel Aufklärungs- und Klärungsbedarf. Die Landwirte haben bei Nachweisen von Infektionen im Bestand Angst vor Restriktionen, wirtschaftlichen Verlusten und sozialer Ächtung. Daneben stellt sich die Frage nach den Kosten für ein solches System. Hier wäre es wünschenswert, wenn sich neben der Landwirtschaft auch das öffentliche Gesundheitswesen der Humanmedizin daran beteiligen würde, da es hier vor allem um eine Prophylaxe von menschlichen Erkrankungen geht. Dies würde allerdings ein absolutes Novum darstellen. Eine weitere Herausforderung stellt die Verknüpfung der Meldedaten aus der Veterinär- und Humanmedizin dar, da beide Systeme unterschiedlich arbeiten. Zusätzlich stellt hier der Datenschutz eine erhebliche Hürde dar. 

 

Ein Ziel von Q-GAPS ist die Etablierung einer Q-Fieber-Leitlinie. Wie könnte grob skizziert so eine Leitlinie aussehen?

In der Leitlinie sollen präventive Maßnahmen zum Schutz vor Q-Fieber bei Wiederkäuern (Schafe, Ziegen, Rinder) aufgezeigt werden. Mit dem Erreger C. burnetii infizierte kleine Wiederkäuer sind die häufigste Ursache von lokal begrenzten Ausbrüchen beim Menschen, sogenannten Kleinraumepidemien. Dazu gehören Maßnahmen zum Monitoring in den Betrieben, Herdenmanagement, Hygienemaßnahmen und Impfstrategien. Weiterhin sollen Maßnahmen bei einem Q-Fieber-Ausbruch in den Herden und beim Menschen beschrieben werden, wie z.B. interdisziplinäre Kommunikation zwischen Veterinär- und Human-Medizin, Umgang mit kontaminiertem Material, Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen.

 

Coxiella burnetii ist ein potenzieller biologischer Kampfstoff. Ist es relativ einfach, das infektiöse Bakterium im Labor zu produzieren?

C. burnetii ist ein obligat intrazelluläres Bakterium, das eine Wirtszelle benötigt, um sich zu vermehren. Vor zehn Jahren ist es zwar Forschern in den USA gelungen, eine Methodik zu entwickeln, die es uns erlaubt, das Bakterium in Flüssigkultur zu vermehren. Dazu wird ein spezieller Inkubator und ein Spezialmedium benötigt. Wenn beides vorhanden ist, ist die Vermehrung von C. burnetii recht einfach. Allerdings führt die Vermehrung in Flüssigkultur oder in Zellkultur dazu, dass sich aus der hoch virulenten Phase I die avirulente, ungefährliche Phase II entwickelt.

 

Wie genau funktioniert die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Forschungsgruppen innerhalb von Q-GAPS?

Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Es bestehen intensive Kooperationen zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen mit Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen und diverser Expertise. Besonders unsere halbjährlichen Treffen sind für die Interaktion sehr wesentlich gewesen, und haben allen Beteiligten „einen Blick über den eigenen Tellerrand“ erlaubt. Aber auch sonst haben wir einen regen Austausch übers Telefon, per E-Mail oder via Videokonferenzen. Dadurch ist eine enge Verknüpfung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Wissenschaft entstanden, um Fragestellungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beantworten und insbesondere auch die Sicht auf den ÖGD, Tierhalter, praktizierende Ärzte und Veterinäre und den Verbraucher zu schärfen. Außerdem findet ein reger Austausch von Proben statt. Besonders für die in den Q-GAPS-Projekten beschäftigten Doktoranden waren unsere Q-GAPS-Meetings wesentlich, um die eigene Arbeit in den richtigen Kontext zu bringen. Leider konnten wir unsere Meetings 2020 nur virtuell abhalten, aber wir hoffen, uns ab Mitte 2021 wieder persönlich austauschen zu können.

 

Welche Feldforschungsprojekte stehen aktuell bei Q-GAPS aus?

Der veterinärmedizinische Impfstoff hat nur eine Zulassung für Rinder und Ziegen. Aktuell wird seine Wirksamkeit in zwei großen Schafherden überprüft. Außerdem wird ein neues Impfregime in einer infizierten Ziegenherde evaluiert. Ziel ist es, nur noch bestimmte Risikogruppen zu impfen und nicht mehr den gesamten Bestand. Dadurch sollen die Kosten reduziert und die Akzeptanz der Impfung erhöht werden. Weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit bestimmter Antibiotika in Kombination mit der Impfung bei akuten Ausbrüchen in Herden kleiner Wiederkäuer, um die Erregerausscheidung weiter zu limitieren, sind geplant.

 

Das Gespräch führte Christoph Kohlhöfer

Koordinationsbüro

c/o Institut für Virologie Charité - Universitätsmedizin Berlin
Campus Charité Mitte
Charitéplatz 1, 10117 Berlin