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Die Landwirtschaft als Teil der Lösung

Ein Blick aus dem All auf unsere Erde zeigt, dass unser blauer Planet zum Großteil mit Wasser bedeckt ist. Nur ungefähr 29% der Landoberfläche ist Landmasse [1]. Ein großer Teil dieser Landmasse (ca. 75%) wurde von dem Menschen gravierend beeinflusst und ca. 38% werden als landwirtschaftliche Flächen genutzt [2]. Damit beeinflusst die Landwirtschaft maßgeblich das Artenvorkommen auf der Erde. Wie genau die Landwirtschaft die Biodiversität weltweit beeinflusst und welche Konsequenzen das auf das Vorkommen von Zoonosen hat, war Thema eines gemeinsamen Workshops der Zoonosenplattform mit der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen am 17. November 2022.

 

Die menschliche Weltbevölkerung hat die 8 Milliarden überschritten. Damit steigt der Bedarf an Lebensmitteln und Energie. Gleichzeitig sind wir mit einem Biodiversitätsverlust, einem voranschreitenden Klimawandel und der Zunahme an antimikrobiellen Resistenzen konfrontiert. All das stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen, denn sie trägt maßgeblich zur weltweiten Treibhausgasemission (siehe FAOSTAT Analytical brief 50), zum Verlust von Lebensräumen sowie zur Bodenversäuerung und zur Luftverschmutzung (insbesondere durch Ammoniak) bei.

 

Landnutzung Deutschland 2020

Abb. 1: In Deutschland werden laut statistischem Bundesamt 50,6% der Landfläche landwirtschaftlich genutzt (Stand 31.12.2021, Quelle: Statistisches Bundesamt)

Nachhaltige Systeme durch neue Technologien

Man dürfe die Landwirtschaft daher nicht nur als Produzenten von Lebensmitteln, Futtermitteln und Biomasse betrachten, betonte Prof. Babara Amon bei der Veranstaltung. Vielmehr sollte man Landwirtschaft im Sinne eines One Health- Ansatzes als Teil der Lösung zum Erreichen der Klimaziele und der SDGs [3] behandeln. Neben ihrer Forschung zu „Precision Farming“ in der Pflanzen- und Tierproduktion am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam ist Prof. Amon ebenfalls Mitglied zahlreicher Gremien, die sich mit nachhaltiger Landwirtschaft befassen. Die notwendige Umgestaltung der Landwirtschaft könne ihrer Meinung nach nur gelingen, wenn nachhaltige Systeme im Einklang mit der Natur etabliert werden, die Ressourcen besser nutzen und geschlossene Stoffkreisläufe aufweisen. Dazu seien digitale Technologien und technische Neuerungen nötig. Diese könnten Prozesse effizienter, verlustärmer und umweltschonender gestalten. Zugleich müsse sich das Konsumverhalten der Menschen verändern.

Weltweiter Verlust von Ökosystemdienstleistungen

Das eine Transformation der Landwirtschaft in jedem Fall notwendig ist, zeigte Prof. Josef Settele vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung eindrucksvoll in seinem Vortrag. Er verdeutlichte, dass die Auswirkungen der Landwirtschaft maßgeblich die Artenvielfalt und zahlreiche Ökosystemdienstleistungen unseres Planeten einschränken, was wiederum desaströse Folgen haben kann. Als Beispiel nannte er hier den Rückgang an Bestäubern. Eine Vielzahl der Nutzpflanzen für die menschliche Ernährung sowie die Mehrheit der Blütenpflanzen weltweit sind von tierischer Bestäubung abhängig. Der ökonomische Marktwert der Bestäubung wurde 2015 auf 250 – 600 Mrd. €/Jahr geschätzt [4] und ein Verlust dieser Ökosystemdienstleistung gefährdet die Nahrungssicherheit auf unserem Planeten. In den vergangenen Jahrhunderten hat der Mensch die Biosphäre und die Atmosphäre maßgeblich beeinflusst, was mit einem starken Rückgang der biologischen Vielfalt und der Reduktion von Ökosystemleistungen auf unserem Planeten einhergegangen ist [5]. Vielfalt stärke jedoch die Resilienz und die Stabilität von Lebensräumen, wie Prof. Settele erörterte.

Gestörte Ökosysteme als Zoonosenquelle

Damit spannte Prof. Settele den Bogen von der Landwirtschaft hin zum Auftreten von (zoonotischen) Erregern. Denn durch die Landnutzungsveränderungen und die Fragmentierung von Habitaten könne auch das Auftreten von Infektionskrankheiten bei Wild-, Haus-, Nutztieren, Pflanzen oder Menschen verschlimmert werden [6]. Zudem begünstige ein übermäßiger und ungezielter Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft die Entwicklung von Resistenzen in der Umwelt. Vielfalt halte Ökosysteme in der Balance. Gestörte Ökosysteme hingegen können die Entstehung von Pandemie begünstigen. Auch er appellierte, die Landwirtschaft nicht als Feind, sondern als Teil der Lösung im Kampf gegen den Biodiversitätsverlust zu betrachten.

AMR Belastung in der Umwelt

Wie genau es sich mit Zoonosen und antimikrobiellen Resistenzen (AMR) in der Nutztierhaltung verhält, erörterte Dr. Tina Kabelitz, Wissenschaftlerin am ATB Potsdam, die am interdisziplinären Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS mitwirkt. Sie stellte ausgewählte Forschungsprojekte aus dem Verbund vor, die sich mit dem Vorkommen von AMR in Schweinemastbetrieben, in deren Umwelt und in Masthähnchen beschäftigten, sowie mit möglichen Reduktionsmaßnahmen. Die Forschungsergebnisse zeigten, dass sich Resistenzen nicht nur bei den Nutztieren selbst finden ließen, sondern auch bei Fliegen in den Ställen oder im Staub. Über diese Vektoren können die Resistenzen dann in die Umwelt gelangen. Jedoch zeigte sich, dass vielfach bereits einfache Hygienemaßnahmen geeignet sein könnten, um die AMR Belastung in der Umwelt zu reduzieren.

Der Workshop zeigte auf eindrucksvolle Weise die engen Zusammenhänge zwischen Landnutzung, funktionierenden Ökosystemen, und dem Auftreten von Zoonosen. Um die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und Ökosysteme zu erhalten und dem Klimawandel begegnen zu können, ist ein transformativer Wandel auch in der Landwirtschaft notwendig. Nur ein nachhaltiges Wirtschaften, welches die langfristigen Kosten und Folgen für Mensch und Umwelt berücksichtigt, kann langfristig die Lebensqualität auf der Erde sichern.

 

Text: Dr. Dana A. Thal für die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen

 

[1] Westermann (Diercke), 2020

[2] Food and Agriculture Organisation (FAO)

[3] Sustainable Development Goals der Weltgesundheitsorganisation

[4] Pollinator, Pollination and Food Production (2016) –Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES)

[5] Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services (2019) - IPBES

[6] Workshop Report on Biodiversity and Pandemics (2020) -IPBES