Nur Nanometer groß und dennoch schafft es das neue Coronavirus SARS-CoV-2, die Welt in Atem zu halten und den Alltag vieler Menschen in bis dahin ungekannter Weise zu verändern. Doch was sind eigentlich Coronaviren? Welche Bedeutung haben sie für die Gesundheit von Tier und Mensch? Welche Coronaviren kennen wir bereits und wie schafft es ein Virus auf einmal Menschen zu infizieren? Bei genauerer Betrachtung dieser Fragen wird schnell klar, dass es sich bei Coronaviren um ein Thema handelt, dass die Gesundheit von Tier, Mensch und Umwelt miteinschließt.
Was sind Coronaviren?
Coronaviren sind Viren, die auf der ganzen Welt in vielen verschiedenen Tieren vorkommen. Sie sind in der Unterfamilie Orthocoronaviridae klassifiziert (Ordnung: Nidovirales, Unterordnung: Cornidovirineae, Familie: Coronaviridae), wobei sich diese Unterfamilie wieder in verschiedene Genera, Subgenera und Spezies aufteilt
Aufbau eines Coronavirus
Coronaviren besitzen eine Virushülle, die aus einer Lipidmembran mit eingelagerten Proteinen besteht. Die bei den Coronaviren aus der Membran herausragenden Proteine (vor allem das Spike-Protein) geben ihnen ihr charakteristisches Aussehen unter dem Elektronenmikroskop (siehe Abbildung 1), was zur Namensgebung geführt hat (lat. corona: Kranz)
Abbildung 1: Coronaviren unter dem Elektronenmikroskop. Das digital eingefärbte Transmissionselektronenmikroskop (TEM) - Bild zeigt das aviäre Infektiöse Bronchitis-Virus (IBV), welches ebenfalls zu den Coronaviren zählt. Der durch die aus der Virushülle herausragenden Spike-Glycoproteine hervorgerufene „Kranz“ um die Viruspartikel hat der Virusfamilie ihren Namen gegeben. Bild: CDC/ Dr. Fred Murphy; Sylvia Whitfield
In der RNA sind die Informationen für die verschiedenen Virusproteine kodiert. Hierbei handelt es sich um das RNA-Genom umgebende Nukleokapsid(N)-Protein und drei Membranproteine: das Spike(S)-Glykoprotein, das Membran(M)-Glykoprotein und das Hüllen(eng. envelope, E)-Protein (48). Darüber hinaus haben einige Coronaviren, darunter auch das 2019 neu entdeckte SARS-CoV-2, ein Hämagglutinin (HE) an der Oberfläche (siehe Abbildung 2). Die unterschiedlichen viralen Proteine erfüllen verschiedene Aufgaben für die Struktur der Viruspartikel, in der Vermehrung des Virus, beim Eindringen in die Zellen des Wirtes, bei der Pathogenese und bei der Beeinflussung der Immunantwort des infizierten Organismus
Abbildung 2: Schematischer 3D-Aufbau des SARS-CoV-2. Der Querschnitt rechts zeigt die RNA im Inneren des Viruspartikels zusammen mit dem Nucleocapsid(N)-Protein. Das Virus wird von einer Hülle umgeben, in die verschiedene virale Proteine eingelagert sind: (Spike(S)-Glycoprotein, Membran(M)-Glycoprotein, Envelope(E)-Protein). Bild: Scientific Animations/ Creative Commons
Wo kommen Coronaviren vor?
Coronaviren bei Tieren
Das erste beschriebene Coronavirus war das Infektiöse Bronchitis-Virus (IBV), welches 1937 aus Hühnerembryonen isoliert werden konnte
Im Tierreich weit verbreitet
Bei Studien zu Coronaviren in unterschiedlichsten Tierarten konnte festgestellt werden, dass es Coronaviren gibt, die nur in einer Tierart vorkommen (wirtsspezifisch), und andere, die ein breites Spektrum an verschiedenen Tierarten infizieren können (wirtsunspezifisch). So konnte das Betacoronavirus 1 zum Beispiel bereits in Kühen, Pferden, Hunden, Menschen, Rehen, Antilopen, Kamelen und Giraffe nachgewiesen werden. Andere Coronaviren kommen hingegen nur in einer Tierart vor. Insbesondere die SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome)-Pandemie 2002/2003 hat dazu geführt, dass vermehrt Studien zum Vorkommen von Coronaviren in Wildtieren auf allen Kontinenten durchgeführt wurden. Die größte Diversität an Coronaviren konnte bislang in Fledermäusen nachgewiesen werden (zusammengefasst in
Coronaviren beim Menschen - Auslöser von Erkältungen
Die ersten humanen Coronaviren (HCoV) wurden in den 1960er Jahren beschrieben. Dies war zum einen HCoV-229E
Auslöser von Pandemien
SARS-CoV
Anders verhält es sich hingegen mit den im 21. Jahrhundert erstmals beschriebenen humanen Coronaviren zoonotischen Ursprungs, die durch den Übertritt von Tieren auf den Menschen und anschließenden Mensch-zu-Mensch-Infektionsketten Pandemien auslösten. Erstmals geschah dies beim Severe Acute Respiratory Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV)
MERS-CoV
Das Middle East respiratory syndrome-Coronavirus (MERS-CoV) wurde 2012 erstmals aus einem Patienten, der mit einer akuten Lungenentzündung in Saudi Arabien in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, isoliert
SARS-CoV-2
Ende Dezember 2019 vermeldete China das gehäufte Auftreten von Lungenentzündungen in der Stadt Wuhan. Als Ursache dafür wurde im Januar 2020 ein neuartiges Betacoronavirus identifiziert
Abbildung 3: Farbige Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme einer apoptotischen Zelle (grün), die mit SARS-COV-2-Viruspartikeln (violett) infiziert ist und aus einer Patientenprobe isoliert wurde. Das Bild wurde in der Integrierten Forschungseinrichtung (IRF) des NIAID in Fort Detrick, Maryland, aufgenommen und farblich bearbeitet. Bild:ã National Institute of Allergy and Infectious Diseases
Zoonotisches Potential - Der Sprung vom Tier auf den Menschen
Um einen neuen Wirt infizieren zu können, muss ein Virus zunächst einige Barrieren überwinden. Dies betrifft zum einen die Fähigkeit, in die Zellen des neuen Wirtes einzudringen und sich dort zu vermehren, und zum anderen die Fähigkeit, das Immunsystem des Wirtsorganismus soweit zu umgehen, dass eine Zellinfizierung und Vermehrung möglich ist. Da ein Virus nicht gerichtet „Anpassungen“ vornehmen kann, entstehen diese neuen Eigenschaften durch zufällige Mutationen (Veränderungen im Erbgut) oder durch Rekombination verschiedener Coronaviren. Coronaviren haben durch ihre fehleranfällige RNA-Polymerase, welche für die Vervielfältigung der Erbinformationen zuständig ist, eine hohe Mutationsrate
Abbildung 4: Virusreservoire und potentielle Zwischenwirte der vier endemischen humanen Coronaviren (oberes Rechteck) und der 3 zoonotischen, epidemischen Coronaviren beim Menschen (unteres Rechteck). Grafik modifiziert von Corman et al. [13]
Forschung zu Coronaviren als One-Health Aufgabe
Die sieben in Menschen detektierten Coronaviren und insbesondere die zoonotischen Ereignisse, die zu drei Epidemien innerhalb von zwanzig Jahren geführt haben, belegen das zoonotischen Potential von Coronaviren. Da die Viren eine Rolle sowohl in der Veterinär- als auch in der Humanmedizin spielen, können sich hier für die zukünftige Forschung Expertisen ergänzen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden internationalen Reiseverkehrs und der globalen Warenströme, sowie der Veränderungen des Klimas mit einhergehenden Auswirkungen auf Erreger und Wirtsspezies, ist anzunehmen, dass sich die Gefahr durch Zoonosen verändern wird. Insbesondere die Erforschung von Impf- und Wirkstoffen, der Ausbau des Wissens über die Epidemiologie der Coronaviren in Wildtierpopulationen und die Erforschung von Vorhersagemodellen für zoonotische Übertragungen auf den Menschen sind daher wichtige Forschungsbereiche für die Zukunft. Nur durch die Bündelung von Kompetenzen und die Zusammenarbeit interdisziplinärer Wissenschaftsteams können Fortschritt und Erfolge in diesem Forschungsfeld begünstigt und Pandemien in Zukunft verhindert werden.
Text: Dr. Dana Thal i.A. Nationale Forschungsplattform für Zoonosen
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