Der erste Kontakt
Es ist hochinfektiös, infiziert eine Vielzahl von Wirtsarten, grassiert seit mindestens acht Jahrzehnten weltweit und ist dennoch weitgehend unbekannt in der Öffentlichkeit: das Bakterium Coxiella burnetii, das das Q-Fieber ausgelöst. Q-Fieber ist meistens eine Grippe-artige Erkrankung, die sich aber auch als Lungenentzündung, Hepatitis oder Endokarditis manifestiert. Für einen Humanmediziner ist die Q-Fieber-Diagnose aufgrund der zunächst auftretenden grippeähnlichen Symptome erschwert und wird oft nicht bedacht und dadurch zu spät erkannt. Ein Veterinärmediziner hingegen hat es ungleich schwerer: Wiederkäuer wie Schafe und Ziegen bleiben nach einer Infektion meistens symptomlos. Allerdings kann die Infektion zum Abort oder der Geburt lebensschwacher Lämmer führen. Gerade die Geburtsprodukte der infizierten Wiederkäuer sind für die Übertragung des Erregers auf den Menschen hauptverantwortlich. Es stellt sich also die Frage, weshalb die Infektion bei den Tieren meistens ohne Symptome abläuft, während sie beim Menschen mitunter schwere chronische Verläufe zur Folge haben kann. Wie also kommen diese unterschiedlichen Ausprägungen der Erkrankungen zwischen Wiederkäuern und Menschen zustande? Und wäre es möglich, dass bereits der erste Kontakt des Organismus mit dem Erreger zur Beantwortung dieser Frage eine Rolle spielt? Oder spielt ein unterschiedliches Repertoire an Virulenzfaktoren dabei Rolle? Im Rahmen des Verbundes Q-GAPS hat sich eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. Anja Lührmann auf die Suche nach Antworten gemacht.
Lührmann ist am Lehrstuhl für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg tätig und koordiniert den Q-GAPS-Verbund. Laborarbeit ist ihre Sache. Sie gehört, wenn man das so sagen kann, zur Grundlagenforschungsfraktion des Verbundes Q-GAPS. Bereits vor fünf Jahren startete sie ein Teilprojekt innerhalb des Q-GAPS Verbundes. Seitdem stehen zwei Schwerpunkte im Fokus ihrer Forschung: zum einen die Virulenzfaktoren, zum anderen die Interaktion des Bakteriums mit den Wirtszellen.
Die Virulenzfaktoren sind diejenigen Moleküle, die vom Bakterium abgegeben werden, um die Wirtszelle zu modulieren. Die Modulation der Zelle wiederum ist für das Bakterium existenziell. Ohne die entsprechende Modulation kann es sich nicht vermehren, denn C. burnetii ist ein obligat intrazelluläres Bakterium, d.h. es benötigt die Wirtszelle zur Vermehrung. Um Virulenzfaktoren in die Wirtszelle zu bringen, besitzt C. burnetii eine Art Spritze, einen Typ IV Sekretionsapparat. Hiermit injiziert das Bakterium die Virulenzfaktoren, auch Effektorproteine genannt, in die Zelle, nachdem es aufgenommen worden ist und sich innerhalb einer phagolysosomalen Vakuole befindet. „In unserer Arbeit geht es darum, die einzelnen Virulenzfaktoren und ihre Aufgaben zu analysieren“, sagt Lührmann.
Unter anderem ist die Forschungsgruppe auf das von ihr so getaufte Molekül AnkG gestoßen. Dieses Molekül fungiert als eine Art Sensor für die Vitalität der Zelle. Wenn eine infizierte Zelle die Infektion nicht mehr kontrollieren kann, geht sie normalerweise in die Apoptose. Sie startet also ein Suizidprogramm, damit entzieht die Wirtszelle dem Bakterium die Vermehrungsmöglichkeit. AnkG verhindert den Start dieses Programms. Das Molekül wandert in den Zellkern, um dort die Transkription zu verändern. Ziel: die antiapoptotischen Signalwege hochfahren, um die Vitalität der Wirtszelle zu verlängern. Denn ohne Zelle, keine Replikation des Bakteriums. Je länger die Zelle lebt, desto länger kann sich C. brunetii vermehren, bevor es sich weiter im Organismus ausbreitet.
Die Publikation der Forschungsgruppe über AnkG ist der erste Bericht überhaupt, der zeigt, dass Effektorproteine mit Wirtszellen-RNA interagieren (Cordsmeier et al., 2022). Detailliertere Information hierzu sind auf der Homepage des Q-GAPS Verbundes hinterlegt (www.q-gaps.de).In einer vorherigen Publikation konnte die Arbeitsgruppe um Frau Prof. Lührmann zeigen, dass AnkG Isolat-spezifisch ist, d.h. viele C. burnetii-Isolate enthalten kein AnkG oder ein mutiertes AnkG, das nicht mehr über das Typ IV-Sekretionssystem in die Wirtszelle injiziert werden kann. Interessanterweise besitzen die untersuchten human-pathogenen Isolate ein funktionsfähiges AnkG (Schäfer et al., 2020). Somit könnte das Effektorprotein-Repertoire das pathogene Potential bestimmen. Allerdings sind hierzu noch weitere Analysen notwendig.
Der zweite Schwerpunkt der Forschung beschäftigt sich mit der Interaktion der Coxiellen mit den Wirtszellen unterschiedlicher Spezies. Eine Tierart, die in Deutschland stark von einer Infektion mit den Bakterien betroffen ist, sind Rinder. Bei ihnen lässt sich eine relativ hohe Inzidenz feststellen. Dennoch sind sie nur in seltenen Fällen für einen Ausbruch beim Menschen verantwortlich. Auch Symptome kommen bei Rindern sehr selten vor. „Unsere Ausgangsfragen waren also: Gibt es bereits auf zellulärer Ebene Unterschiede zwischen Mensch und Rind bei der Infektion? Was geschieht, wenn das Bakterium von den entsprechenden Immunzellen aufgenommen wird?“, so Lührmann. Und ihre Forschung ergab: Die Unterschiede sind sehr deutlich und können sehr unterschiedliche Pathogenität zur Folge haben.
Aktuell erstellt die Forschungsgruppe ein Manuskript, in dem die unterschiedliche Reaktion der Zellen beschrieben wird.
Ein wesentlicher Bestandteil ist der Stoffwechsel der Makrophagen. Denn eine Infektion führt zu einer Veränderung des Stoffwechsels der Immunzellen, und hier lassen sich deutliche Unterschiede zwischen Mensch und Rind erkennen. Weiterhin gibt es Unterschiede bei der Immunreaktion, was dazu führt, dass in dem einen Fall die Infektion besser kontrolliert werden kann als in dem anderen Fall – denn unterschiedliche Signalwege, auch spezifische Abwehrmechanismen, werden unterschiedlich angesteuert.
„Unsere Forschung beschäftigt sich mit der einzelnen Zelle, inwiefern das Zusammenspiel mehrerer Immunzellen beeinflusst wird, muss noch gesondert untersucht werden.“ Es bleibt also spannend im Labor Lührmann und im Q-GAPS-Verbund.