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NL4 2022 - App zu unterschiedlichen Szenarien für die Beurteilung der Lebensmittelsicherheit

© Pixabay

Apps zu unterschiedlichen Szenarien für die Beurteilung der Lebensmittelsicherheit

Der öffentliche Gesundheitsdienst, in weiten Teilen der Gesellschaft bis zur Corona-Pandemie wenig beachtet, ist ein wichtiger Player in der Gesundheitsvorsorge – auch in der Tiermedizin und Lebensmittelüberwachung. Ein ÖGD-Projekt aus Hannover, betreut von Prof. Dr. Lothar Kreienbrock, Direktor des Instituts für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, sorgt dafür, dass der Dienst seine Aufgaben in Zukunft noch besser wahrnehmen kann.

 

„Erarbeitung von Arbeitshilfen zur Konzeption von Stichprobenuntersuchungen zur Bewertung von potentiell mit Zoonoseerregern behafteten Lebensmitteln“: Der Titel des ÖGD-Projektes, das Prof. Dr. Lothar Kreienbrock federführend betreut, ist lang, aber treffend. Denn Kernproblem jeder Untersuchung in Verdachtsfällen von möglicherweise kontaminierten Lebensmitteln ist, dass zur Beurteilung der Belastung und zur Rückverfolgung der Infektionsquelle, die Erhebung von Stichproben erforderlich ist. Weil Erreger wie Salmonellen und Listerien in Wurstprodukten , in Rohfleisch und rohen Milchprodukten vorkommen, sind dafür nicht die Gesundheitsämter zuständig, sondern die Veterinärämter in ihrer Funktion als Lebensmittelüberwachungsbehörden. Deren Aufgabe ist es dann im Fall eines Verdachtsfalls oder Ausbruchs sofort Maßnahmen einzuleiten, denn im Sinne des Verbraucherschutzes muss ggf. die Weiterverbreitung der Lebensmittel unmittelbar gestoppt werden. Wichtig ist dabei, eine Annahme über die mögliche Kontaminationsquelle zu treffen, um einen weiteren Eintrag zu verhindern.

 

In den Veterinärbehörden besteht eine große Kompetenz im Umgang mit Tierseuchen und mit der Lebensmittelkontrolle. In Verdachtsfällen oder bei lebensmittelbedingten Ausbrüchen sind die Behörden jedoch oft gezwungen adhoc zu arbeiten. Dies kann die zuständigen Behörden durch die ohnehin große Arbeitsbelastung und die Komplexität der Fragestellung möglicherweise vor Herausforderungen stellen. Das ÖGD-Projekt soll daher eine Arbeitserleichterung für die Veterinärbehörden darstellen und potentielle Fehlerquellen minimieren, durch die präventive Sammlung von Informationen, um etwa die benötigte Stichprobengröße bei einer Untersuchung schnell ermitteln zu können.

 

Denn im Falle eines potentiell belasteten Lebensmittels muss die Behörde unmittelbar Stichproben  ziehen und diese dann auf den Erreger prüfen. „Eine Frage“, sagt Prof. Dr. Kreienbrock, „die dann entsteht, ist: Wie groß muss die Stichprobe sein?“ Aber dies ist nicht die einzige Problematik. Er sagt: „Wenn beispielsweise eine Firma, die Sahnetorten herstellt, einen Verdachtsfall hat, dass die Sahne belastet ist, dann ist die erste Frage: Was ist eigentliche das Untersuchungsobjekt, eine Torte oder die komplette Sahne, die im Produktionsprozess verarbeitet wird?“ Als Folge eines solchen Verdachts müsste eigentlich eine wissenschaftliche Untersuchung folgen und diverse Informationen wie Produktzusammensetzung, Erreger, Sensitivität, Spezifität gesammelt werden. Nur: Dafür ist in der regel keine Zeit, das Geschehen ist schließlich akut.

 

Dass hier ein wissenschaftlicher und gleichzeitig praktischer Handlungsbedarf besteht, zeigt, dass die Anregung für das Projekt aus dem Veterinärdienst selbst kommt, in diesem Fall aus dem Landkreis Osnabrück. Das ÖGD-Projekt hilft bei der Untersuchung von potentiell belasteten Lebensmitteln und der Bekämpfung von lebensmittelbedingten Ausbrüchen, in dem es Eventualitäten vor ihrer Entstehung zeigt und so deutlich macht, was alles erledigt werden muss – bevor es zu einem Verdachtsfall kommt. Prof. Dr. Kreienbrock sagt: „Zum Beispiel muss man vorher wissen, wie die diagnostischen Sicherheiten einer entsprechenden Laboruntersuchung sind, damit man wirklich sagen kann, wie groß die entsprechenden Stichproben sein müssen.“  Teil der Arbeitshilfen ist unter anderem eine App, in die man Rahmenbedingungen eingeben kann, und die dann zeigt, wie groß ebenjene Stichprobe sein muss. So hat sich das Team die wichtigsten und häufigsten lebensmittelbedingten Vorfälle der letzten Jahre vorgenommen und Anwendungsfälle definiert. Dabei geht es allerdings nicht nur um die Datenerhebung, sondern um den Vorgang als solchen – schließlich folgt die Produktion von Häppchen für einen Empfang einem anderen Muster als die Prozesse, die bei der Herstellung einer Tiefkühlpizza ablaufen.

 

Die Entwicklung unterschiedlicher Szenarien und einer App als Arbeitshilfe ist ein langwieriger und komplexer Vorgang, so dass die Gesamtlaufzeit des Projektes auf drei Jahre angelegt ist. Weit entwickelt sind bisher unter anderem Szenarien für Salmonellen im Rohei, Listerien in Fleischprodukten oder VTEC in der Milch. „Wir gehen davon aus“, sagt Prof. Dr. Kreienbrock, „dass das Projekt zum Ende des Jahres abgeschlossen ist und die entsprechende App dann auch für den Veterinärdienst zur Verfügung stehen.“