Workshop
„Massenspektrometrie in der Zoonosenforschung" 24.-25.9.2012
Nachbericht
Das Ziel des zweitägigen Workshops am
Institut für Hygiene der Universität Münster (Direktor Prof. Dr. Dr. h. c.
Helge Karch) bestand darin, den Teilnehmer/innen einen Einblick in die
Massenspektrometrie als wichtige und zukunftsweisende Analysemethode in der
Zoonosenforschung zu geben. Da eine Vielzahl von viralen und bakteriellen
Zoonosenerregern und die von ihnen produzierten Virulenzfaktoren (Toxine) an
Glykokonjugate der Zelloberfläche ihrer Targetzellen binden, wurden in diesem
Kurs schwerpunktmäßig Glykolipide als potentielle Rezeptormoleküle behandelt.
Diese bestehen aus einem doppelschwänzigen Lipidanker, dem sog. Ceramid
(Sphingosin plus Fettsäure), und einem Oligosaccharidteil, der durch seine hohe
Variabilität hinsichtlich der Anzahl verschiedener Zucker (üblicherweise 1 bis 5)
und deren vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten gekennzeichnet ist. Glykolipide
befinden sich in der äußeren Schicht der Plasmamembran menschlicher und
tierischer Zellen und ragen von der Zelloberfläche aus gesehen nach außen.
Demzufolge spielen Glykolipide eine wichtige Rolle als Rezeptoren für
Zoonosenerreger und deren Virulenzfaktoren.
Der Workshop gliederte sich in 2
Abschnitte: Vermittlung der theoretischen Grundlagen am 1. Tag und Durchführung
massenspektrometrischer Experimente in Kleingruppen am 2. Tag.
Theorie
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Vermittlung
der theoretischen Grundlagen zur biomedizinischen Massenspektrometrie.
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Das für diesen Kurs erforderliche theoretische Basiswissen
zur biomedizinischen Massenspektrometrie (siehe Liste der Vortragsthemen des
Programms) wurde in Form von 8 Vorträgen vermittelt. Zunächst wurden in einem
Übersichtsvortrag die Strukturen und Rezeptorfunktionen von Glykolipiden,
insbesondere unter zoonotischen Aspekten, vorgestellt (Johannes Müthing). Weiterhin
wurden die analytischen Basistechniken für die anschließenden massenspektrometrischen
Experimente erläutert, wobei der Einsatz der Dünnschichtchromatographie (DC),
gekoppelt mit immunchemischen Nachweistechniken, ausführlich beschrieben wurde.
Es folgten zwei Vorträge, in denen die Grundlagen der Matrix-unterstützten
Laserdesorptions-/Ionisations-Massenspektrometrie (MALDI-MS) (Klaus Dreisewerd)
und der Elektrospray Ionisierungs-Massenspektrometrie (ESI-MS) (Michael
Mormann) vermittelt wurden. Abgerundet wurden die Vorträge zu den beiden
fundamentalen Laser- und Elektrospray-Ionisierungsprozessen mit einer Präsentation
der Grundprinzipien der Massenanalyse und der generellen Funktionsweise von
Massenanalysatoren (Michael Mormann). Anschließend wurden in zwei Vorträgen
ausgewählte Anwendungen der ESI-MS vorgestellt, wobei exemplarisch die
massenspektrometrische Charakterisierung von Shiga Toxin-Rezeptoren (Iris
Meisen) und Influenza Virus-Rezeptoren (Gottfried Pohlentz) mittels Tandem-MS erläutert
wurden. Abgeschlossen wurde das Lipidthema mit einem Vortrag zu verschiedenen Anwendungen
der MALDI-MS, in dem das außerordentliche Potential der Massenspektrometrie zur
Strukturaufklärung nicht nur von Glykolipiden, sondern von bioaktiven Lipiden unterschiedlichster
Art aufgezeigt wurde (Klaus Dreisewerd). Die Darstellung der MALDI-MS als
„neue“ Methode zur Speziesidentifikation von Bakterien verdeutlichte
eindrucksvoll die rasante Entwicklung MS-basierter Techniken als die
Zukunftstechnologien für zahlreiche Anwendungen (Alexander Mellmann). So haben
MALDI-MS-Verfahren bereits weitgehend die „klassischen“ Typisierungsverfahren
von Krankheitserregern verdrängt und Einzug in die mikrobiologische
Routinediagnostik gehalten. Massenspektrometrische Technologien werden daher zukünftig
auch für die Identifizierung von Zoonosenerregern an Bedeutung gewinnen.
Literatur
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Senninger N, Friedrich AW, Karch H, Hillenkamp F, Berkenkamp S, Peter-Katalinić
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Dreisewerd K, Müthing J,
Rohlfing A, Meisen I, Vukelić Ž, Peter-Katalinić J, Hillenkamp F and Berkenkamp
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plates by infrared matrix-assisted laser desorption/ionization
orthogonal-time-of-flight mass spectrometry. Anal Chem 77,
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Meisen I, Dzudzek T, Ehrhardt C, Ludwig S, Mormann M,
Lümen R, Kniep B, Karch H and Müthing J (2012) The human H3N2 influenza A
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Meisen I, Mormann M and Müthing J (2011) Thin-layer
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Mellmann A and
Müthing J. MALDI-TOF mass spectrometry-based microbial identification. In: Advanced Techniques in Diagnostic
Microbiology, YW Tang and CW Stratto (eds.), Springer Science+Business
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Müsken A, Souady J, Dreisewerd K, Zhang W, Distler U,
Peter-Katalinić J, Miller-Podraza H, Karch H and Müthing J (2010) Application
of thin-layer chromatography/infrared matrix-assisted laser
desorption/ionization orthogonal time-of-flight mass spectrometry to structural
analysis of bacteria-binding glycosphingolipids selected by affinity detection.
Rapid Commun Mass Spectrom 24,
1032-1038.
Müthing J and Distler U (2010) Advances on the
compositional analysis of glycosphingolipids combining thin-layer
chromatography with mass spectrometry. Mass
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Müthing J,
Meisen I, Zhang W, Bielaszewska M, Mormann M, Bauerfeind R, Schmidt MA,
Friedrich AW and Karch H (2012). Promiscuous
Shiga toxin 2e and its intimate relationship to Forssman. Glycobiology 22, 849-862.
Praxis
Von den Teilnehmer/innen wurden in
Kleingruppen zunächst vorbereitende Arbeiten für die anschließenden
MS-Untersuchungen von Glykolipiden durchgeführt. Dazu wurde eine
Referenz-Glykolipidmischung aus humanen Erythrozyten, die die Rezeptoren für die
von enterohämorrhagischen E. coli (EHEC)
produzierten Shiga Toxine enthielt, mittels Dünnschichtchromatographie (DC)
aufgetrennt. Die Glykolipide Globotriaosylceramid (Gb3Cer) und
Globotetraosylceramid (Gb4Cer), die die Rezeptoren für Shiga Toxine darstellen,
wurden immunchemisch auf der DC-Platte nachgewiesen. Anschließend wurden
DC-Streifen für die massenspektrometrischen Rezeptorcharakterisierungen mittels MALDI- und ESI-MS präpariert und die erhaltenen
Spektren ausgewertet.

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Laborarbeit in Kleingruppen:
Probenpräparation für die Massenspektrometrie.
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Nach Trennung der Glykolipidmischung
wurden die individuellen Glykolipide zunächst mit dem zuckerspezifischen
Reagenz Orcinol detektiert (Kontrollexperiment). Als immunologisches Nachweisverfahren
diente der DC Overlay-Assay, der dem Prinzip des ELISA-Testverfahrens
entspricht. Der Nachweis der Shiga Toxin-Rezeptoren erfolgte mit Hilfe
spezifischer Anti-Gb3Cer- und Anti-Gb4Cer-Antikörper. Die Antikörper-Bindung
wurde mit dem Substrat 5-Brom-4-Chlor-3'-Indolyphosphat nachgewiesen. Für die
anschließende direkte Kopplung des DC Overlay-Assays mit der MALDI-MS wurde die
DC-Platte mit einem Glasschneider auf Targetgröße zugeschnitten, während für die
indirekte Kopplung mit der ESI-MS das Kieselgel der immungefärbten Glykolipide
abgekratzt wurde und die Glykolipide anschließend mit organischen
Lösungsmitteln aus dem Kieselgel extrahiert wurden.
Die immunpositiven Glykolipid-Banden des für das MALDI-Target passend
zugeschnittenen DC-Streifens wurden mit Glyzerin (Matrix) benetzt. Der so vorbehandelte
Streifen wurde dann in das MALDI-Massenspektrometer eingeschleust, bei dem es
sich um einen modifizierten Prototyp eines orthogonal extrahierenden Massenspektrometers
handelte, der mit einem Flugzeitmassenanalysator (Time-of-Flight
(ToF)-Analysator) ausgestattet ist. In der Ionenquelle wurde nun die Glykolipid-Bande
mit Nanosekunden-kurzen Laserpulsen bei einer Wellenlänge von 2,94 µm
beschossen. Während des explosionsartigen Materialabtrags wurden die in der
Bande befindlichen Glykolipidmoleküle desorbiert und in Teilen ionisiert. Basierend
auf den unterschiedlichen Flugzeiten der gebildeten Ionen wurden in dem Flugzeitanalysator
die Masse-zu-Ladungsverhältnisse (m/z)
der Ionen bestimmt. Da die Glykolipide bei der „sanften“ Ionisierung mittels
MALDI intakt bleiben, konnten über die m/z-Messwerte
Strukturvorschläge für die detektierten Glykolipid-Spezies gemacht werden. Dazu
gehörten zum Beispiel die Bestimmung der Fettsäure (C16 bis C24) und die
Ermittlung des Oligosaccharidtyps (Trisaccharid im Falle von Gb3Cer und
Tetrasaccharid am Beispiel von Gb4Cer). Im Verlauf des Workshops waren die
Teilnehmer/innen nach kurzer Einweisung in der Lage, das Gerät selber zu bedienen
und Massenspektren aufzuzeichnen. Diese wurden im Anschluss beispielhaft
ausgewertet.
Synapt- G2S Massenspektrometer:
Ausgestattet mit MALDI- und ESI-Ionenquelle, einsetzbar für hochauflösende
Massenspektrometrie sowie Ionenmobilitäts Massenspektrometrie.
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In einem zweiten Experiment wurden die aus dem
Kieselgel extrahierten Glykolipide mittels ESI-MS genauer analysiert. Dazu
wurden die Extrakte in Methanol mit 1% Ameisensäure aufgenommen und die
gelösten Glykolipide auf eine Konzentration von 20
pmol/µl eingestellt. Es wurden von den Teilnehmer/innen zunächst analog zu den
MALDI-Messungen Übersichtsspektren aufgenommen und anschließend die Signale den
ionisierten Molekülen der detektierten Glykolipid-Spezies zugeordnet. Für die Durchführung
des Tandem-MS-Fragmentierungsexperiments mittels „Collision-induced
dissociation“ (CID), wodurch eine exakte Strukturaufklärung ermöglicht wird, wurden
beispielhaft die Vorläuferionen mit einem m/z-Wert
von 1361.92 selektiert und die dazugehörige Struktur von Gb4Cer (d18:1/C24:0)
ermittelt. Die Variabilität der Fragmentierungseffizienz, die für eine
eindeutige Strukturbestimmung von Bedeutung ist, konnte durch Veränderung der
Kollisionsenergie demonstriert werden. Abschließend erfolgten Erläuterungen zu
den Fragmentionen-Signalen durch die Betreuer/innen und Erklärungen zur Ableitung
der exakten Strukturen aus den detektierten B-, Y- und W’’-Fragmentionen.
Schlussbemerkung und
Ausblick
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Gruppenfoto
der Workshop-Teilnehmer und Dozenten sowie der technischen Assistenten, die bei
den praktischen Übungen in Kleingruppen unterstützend tätig waren.
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Den
Ausrichter/innen des MS-Workshops wurde von den Teilnehmer/innen eine
erfolgreiche Umsetzung des Workshop-Konzeptes, bestehend aus Theorie (Vorträge)
und Praxis (Experimente in Kleingruppen), attestiert und das Engagement aller
beteiligten Betreuer/innen gewürdigt. Zwischen den Teilnehmer/innen und den
Organisatoren entwickelten sich während des zweitägigen Workshops angeregte
Diskussionen; erste Kooperationen zwischen den Workshopteilnehmer/innen und der
MS-Gruppe in Münster wurden initiiert. Die Einbeziehung weiterer Mitglieder der
Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen in ein zukünftiges Querschnittsprojekt
wurde in einer abendlichen Gesprächsrunde bei traditioneller westfälischer
Küche intensiv diskutiert.
Der Workshop wurde fotografisch von Ivan Kouzel dokumentiert, dem an
dieser Stelle für die Aufnahmen gedankt sei.